Die Welt der Kapitalanlage ist voller Klischees. Eines davon besagt: Privatinvestoren investieren prozyklisch, handeln oft kurzfristig, reagieren auf Kursstürze mit Panikverkäufen und setzen damit in schwierigen Marktphasen eine unheilvolle Abwärtsspirale in Gang. Anders ausgedrückt: Sie pflegen oftmals ein irrationales Herdenverhalten. Aber trifft dieses Vorurteil tatsächlich zu? Experten von Morningstar haben umfangreiche Marktdaten ausgewertet und kommen zumindest für den Corona-Crash vom Frühjahr zu einem klaren Ergebnis: Privatanleger, die in Fonds investieren, haben sich in den vergangenen Monaten gegen den Abwärtstrend gestemmt – und damit verhindert, dass die Börsen noch weiter abgestürzt sind.

Erste Anzeichen dafür, dass Verbraucher in ihrer Rolle als Fondsanleger nicht so panisch reagieren, wie ihnen unterstellt wird, gab es bereits im Januar und Februar dieses Jahres. Die Corona-Krise begann sich zu dieser Zeit langsam zu entfalten, zeigte erste Auswirkungen an den Börsen – und Aktienfonds verzeichneten Zuflüsse. Lediglich im März machte sich kurz Angst breit, Fondsinvestoren gaben Anteilscheine im Wert von rund 55 Milliarden Euro netto zurück. Insgesamt verhielten sie sich in den vergangenen Monaten aber mitnichten irrational, sondern sogar sehr vernünftig, urteilt Morningstar-Deutschland-Chefredakteur Ali Masarwah.

Profi-Anleger reißen Risikoschwellen
Institutionelle Investoren gelten im Vergleich zu Kleinanlegern als die kaltblütigeren, rationaleren Marktteilnehmer, die dazu beitragen, die Kurse während eines Crashs zu stützen. Auch das stimmt indes nur bedingt. "Starke Korrekturen können bewirken, dass die Risikobudgets vieler institutioneller Anleger schnell erschöpft sind", gibt Masarwah zu bedenken. "Passiert das gleich zum Jahresanfang, werden massiv Risikopapiere verkauft. Dann verharren institutionelle Investoren für den Rest des Jahres am Geldmarkt, weil auf dem Weg nach unten wichtige Schwellen gerissen wurden und kein Geld mehr in Aktien investiert werden kann." Die Folge: Institutionelle fallen als Stabilisatoren aus.

Der Crash im ersten Quartal habe genau das beschriebene Phänomen zur Folge gehabt, sagt Masarwah. Als die Aktienkurse im Februar und März abstürzten, stiegen Profi-Investoren in großem Stil aus dem Markt aus. Im Februar zogen sie aus institutionellen Tranchen von Aktienfonds 4,6 Milliarden Euro ab, im März waren es dann sogar 78 Milliarden Euro.  Die Abflüsse von Privatkunden lagen zwar mit 173 Milliarden Euro im März noch höher. Relativ zu ihrer Größe seien aber die Mittelabzüge der Institutionellen stärker ins Gewicht gefallen, sagt Masarwah: "Im ersten Quartal belief sich die organische Wachstumsrate bei institutionellen Aktienfonds auf minus 3,3 Prozent, verglichen mit einem Minus von nur 1,26 Prozent bei Aktienfonds für Privatkunden."

ETF-Anleger haben die Ruhe weg
Ein weiteres Vorurteil besagt, dass Indexfondsanleger eher taktisch investieren und dadurch Trends verstärken. Investoren in aktiv verwalteten Fonds, deren Verantwortliche gern mit einem professionellen Risikomanagement werben, blieben dagegen auch in fallenden Märkten investiert. Ein Blick auf die Daten widerlegt allerdings auch das. So verzeichneten Aktien-Indexfonds im ersten Quartal Abflüsse in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro. Aus aktiv verwalteten Aktienfonds zogen Anleger mit 35 Milliarden Euro zehnmal so viel Geld ab. In Index-Produkten stecken rund 30 Prozent des gesamten Aktienfondsvermögens in Europa. Berücksichtigt man diesen Größenunterschied, haben aktive Anleger also deutlich negativer auf die Krise reagiert als passive Investoren.

Das Fazit der Morningstar-Experten: Vergegenwärtigt man sich die Binsenweisheit, dass die Gesamtheit der Anleger die Börsenkurse macht, haben "normale" Fondsanleger in den vergangenen Monaten an den Börsen Schlimmeres verhindert. "Dabei haben sich Indexfondsanleger ebenso als Stabilisatoren erwiesen wie Privatanleger", resümiert Masarwah. (fp)