Investoren trauen Aktien nicht mehr und gewichten diese im historischen Vergleich extrem stark unter. So erreichte der "Wall Street Sentiment Indicator" im August 2012 den niedrigsten Stand seit Januar 1985 (siehe Grafik): Während (angelsächsische) Investoren Aktien langfristig betrachtet durchschnittlich mit 60 bis 65 Prozent gewichteten, erreichten Dividendenpapiere letzten Sommer nur mehr einen Wert von 44 Prozent. "Nach der Internetblase 2000 erleben wir aktuell eine Sicherheitsblase", kommentierte Céline Piquemal-Prade und gab den Rat: "Kaufen Sie weiter Aktien zu!" 

Anleger machten in den vergangenen Jahren jedoch das Gegenteil und schichteten seit Mitte 2008 mehr als 500 Milliarden US-Dollar von Aktien- in Rentenfonds um. Und jene Anleger, die noch in Aktien investieren, engagieren sich massiv in "nicht riskante" Aktien aus den Sektoren Basiskonsum oder Gesundheit. Aus diesem Grund notieren defensive Aktien im Vergleich zu Wachstumsaktien in der Nähe ihrer historischen Hochs. Vor allem in Asien gelten defensive Aktien mit einer Prämie von 41 Prozent ambitioniert bewertet, warnte Piquemal-Prade.
 
Risk-On-Modus ist ratsam
Als günstig gelten jedenfalls US-Aktien, wenn man die künftige Gewinnrendite des S&P 500 in Relation zu den extrem niedrigen Renditen zehnjähriger US-Anleihen setzt. Demnach seien US-Aktien so günstig wie seit 1976 nicht mehr. Vergleichbares gelte angesichts niedriger Zinsen auch für die Kerneuropa. Comgest empfiehlt daher für 2013 Exposure in Aktienfonds, da Investoren mit risikofreien Staatsanleihen mittelfristig Geld verlieren werden.
 
Laut Comgest helle sich das konjunkturelle Umfeld auf, sodass ein "Risk-on-Modus" empfehlenswert sei. Vor allem in den USA bewirken die diversen Quantitative Easing-Programme eine Ausweitung des Kreditgeschäfts der Banken. So sollen 30 Prozent der Banken eine steigende Kreditnachfrage der Unternehmen bemerken.
 
Dass sich die Anzeichen für Wachstum tatsächlich mehren, zeigt der globale Einkaufsmanagerindex: Er hat infolge steigender Auftragseingänge zuletzt deutlich zugelegt. In China scheint der Großteil der Lagerabverkäufe abgeschlossen zu sein. Der US-Immobilienmarkt erholt sich weiter und Unternehmen planen verstärkt IT-Ausgaben. So gab Intel kürzlich bekannt, antizyklische Investments in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar zu tätigen. Dies sollte laut Piquemal-Prade positive Auswirkungen auf die gesamte Technologiebranche haben und das Wachstum weiter befeuern.
 
Gewinnerwartungen stabil
Last but not least haben sich nach monatelangen Herabstufungen die Gewinnerwartungen wieder stabilisiert. Unterstützung kommt von China, wo sich die Inflation verlangsamt und eine expansivere Geldpolitik ermöglicht. Trotzdem sieht Comgest das größte Gewinnwachstumspotenzial – entgegen der Meinung vieler anderer Asset Manager – nicht in China oder anderen Schwellenländern, sondern in Japan und den USA.
 
Japanische Unternehmen verlagern bereits Produktionsstandorte weg aus China in Länder wie Thailand oder Vietnam, um dort günstiger produzieren zu lassen. Die USA könnte laut Comgest vom Aufkommen von Schiefergas (oder Gasöl) im eigenen Land profitieren, damit den Energie-Kostendruck der heimischen Industrie mindern und an internationaler Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.
 
In China sei jedoch ein starker Anstieg bei Arbeitskosten, Arbeitgeberbeiträgen und Steuern sowie Immobilien- und Infrastrukturkosten zu verzeichnen. Trotzdem heben die Unternehmen ihre Preise nicht an oder versuchen im Gegenteil durch Preissenkungen Markanteile auf Kosten der Konkurrenz zu gewinnen. Da chinesische Unternehmen in den letzten Jahren in ihren Bilanzen viel Cash anhäuften, drohe ein langer, zermürbender Preiskampf, der zu Lasten von Gewinnwachstum und Profitabilität chinesischer Unternehmen gehen sollte. (aa/dw)
 
Wall Street Sentiment Indicator (Stand: 31. August 2012)
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Quellen: Comgest, Richard Bernstein Advisors LLC