Der frühere globale Wachstumsmotor China zeigt immer größere Schwächen. Nicht nur die im vergangenen Jahr im Zuge der Evergrande-Probleme offensichtlich gewordene Überschuldung des Immobiliensektors sorgt für Zweifel am chinesischen Modell. Zusätzlich verschreckt Chinas Führung die Anleger mit innen- und außenpolitisch aggressiven Maßnahmen. Dazu zählen die drastischen Corona-Lockdowns, die Abschottung von ausländischen Kapitalgebern und zuletzt die Militärmanöver vor der von Peking als abtrünnig betrachteten Insel Taiwan, so wie die verstärkten Spannungen mit Taiwans Schutzmacht USA, mit der sich China seit langem in einem Handelskonflikt befindet.

Ein Jupiter-Fondsmanager hat angesichts dessen kürzlich seinen Rückzug aus China verkündet.  Auch bei Comgest zeigt sich Jasmine Kang, Portfoliomanagerin für die Chinastrategien des französischen Fondshauses, vorsichtig. Aufgrund der positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre werde China dennoch weiter Wachstumschancen bieten, die es in den westlichen Märkten nicht gibt. Ein Asset sei etwa das gestiegene Know-how vieler Unternehmen und die besser ausgebildeten Arbeitskräfte. Auch die Produktionsbasis entwickle sich von Billigwaren wie Textilien zunehmend in Richtung Erzeugung von Maschinen und IT-Hardware. 

Digitales Ökosystem
Es sei in den vergangenen zehn Jahren ein digitales Ökosystem entstanden, das sich nicht "hinter dem US-amerikanischen Silicon Valley verstecken" brauche. Kang verweist außerdem auf die Milliardenschwere Initiative "Made in China 2025", die zur Entstehung von Hightech-Industrien im Land geführt habe, etwa in Bereichen wie Elektrofahrzeuge und Automatisierungstechnik, Biopharmazeutika und medizinische Geräte. "Derweil greifen jüngere Chinesen verstärkt zu heimischen Marken, während viele Konsumenten aus der Mittelschicht bekannte globale Marken bevorzugen", so Kang. Sie betont, dass sich das einst export- und investitionsorientierte China mittlerweile als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu einer Konsum- und Dienstleistungswirtschaft mit starkem Binnenkonsum entwickelt hat.

"Wenn man als Anleger von der Entwicklung in China auch künftig profitieren möchte, ist es ratsam, auf jene Unternehmen zu setzen, die sich auf den chinesischen Binnenmarkt konzentrieren und dabei von den wirtschaftlichen und sozialen Trends des Landes profitieren", rät die Expertin. Solche Trends seien etwa Gesundheitsvorsorge, Versicherungswesen, Elektrofahrzeuge und Automatisierung. 

Ausgeprägte Schwankungen
Zwar sei der Aktienmarkt häufig intransparent und Anleger müssen eine vergleichsweise hohe Volatilität in Kauf nehmen. Allein der Aktienmarkt für chinesische A-Aktien, also Aktien der rund 3.500 Unternehmen, die an den Börsen in Shanghai und Shenzhen gelistet sind, sei in den letzten 20 Jahren doppelt so volatil gewesen, wie die Märkte der Industrieländer. Auch lasse die geopolitische Entwicklung wenig Hoffnung auf eine baldige Erholung der chinesischen Wirtschaft zu alter Wachstumsstärke zu. Umgekehrt würden sich aber aus Schwankungen, Kursunterschieden und Markteinbrüchen Chancen ergeben. "Insbesondere in einem Umfeld mit hohem Wachstum und wenn der eigene Anlagehorizont langfristig ausgerichtet ist", so Kang. (eml)