Nachdem Chinas Dealmaker im Rahmen der jahrelangen Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping gezwungen wurden, große Lohnkürzungen hinzunehmen und sich an andere Sparmaßnahmen zu halten, stehen sie nun im Fadenkreuz der obersten Korruptionsbekämpfungsbehörde des Landes. Die Festnahmen von mindestens drei hochrangigen Investmentbankern verschiedener Finanzinstitute seit August durch chinesische Behörden hat die Branche in Aufruhr versetzt. Einer von ihnen, der früher bei der Investmentbank Haitong Securities für das Transaktionsgeschäft zuständig war, floh zunächst aus dem Land. Vor zwei Wochen wurde er im Ausland verhaftet und unter großer medialer Begleitung nach China zurückgeführt.

Haitong und andere staatlich kontrollierte Brokerhäuser haben kürzlich viele ihrer Investmentbanker aufgefordert, ihre Pässe abzugeben und für alle geschäftlichen und privaten Reisepläne eine Genehmigung einzuholen, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Aufforderungen erfolgten aufgrund persönlicher Vorgaben der chinesischen Aufsichtsbehörden, so die Personen, die anonym bleiben wollten. Einigen Mitarbeitern wurde mitgeteilt, dass die Aufsichtsbehörden Börsengänge und andere Kapitalbeschaffungsmaßnahmen genau unter die Lupe nehmen und dass Banker jederzeit zur Befragung vorgeladen werden könnten, sagten die Personen.

Geschäftsreisen nur mit Genehmigung und in Begleitung
Die Brokerhäuser hätten die Genehmigungen für Auslandsreisen verschärft und die Mitarbeiter darüber informiert, dass auch für eine Kündigung eine Genehmigung erforderlich sei. Diejenigen, denen eine Geschäftsreise genehmigt wurde, müssten diese in Begleitung eines Mitarbeiters antreten. Aktivitäten außerhalb der vorab genehmigten Reiserouten würden eingeschränkt, so eine der Personen.

In China sind staatliche Unternehmen dafür bekannt, die Reisepässe ihrer Führungskräfte und kommunistischen Parteifunktionäre einzubehalten. Es ist ungewöhnlich, dass Unternehmen diese Anforderung auch auf untergeordnete Mitarbeiter und Nachwuchskräfte ausweiten, wie es bei Haitong und anderen Brokerfirmen der Fall ist. Haitong reagierte nicht sofort auf eine Anfrage von "Bloomberg".

"Verteilung des Gewinnkuchens grundlegend ändern"
Die Festnahmen von Investmentbankern und die behördlichen Untersuchungen werfen auch Fragen über die Zukunft der 1,7 Billionen US-Dollar schweren Brokerage-Branche und inländischen Kapitalmarktaktivitäten auf. Diese leiden ohnehin schon unter einer deutlichen Abschwächung im Zuge der schleppenden Wirtschaftsentwicklung. Chinas staatliche Finanzinstitute haben die Jahresgehälter für leitende Angestellte auf 2,9 Millionen Yuan (369.000 Euro) begrenzt, während die Gehälter für Onshore-Banker bei China International Capital um bis zu 25 Prozent gekürzt wurden.

"Das harte Durchgreifen und die Einschränkungen werden die Moral der Finanzangestellten beeinträchtigen", sagte Shen Meng, Direktor bei der Pekinger Boutique-Investmentbank Chanson & Co. Sollten die Probleme jedoch beseitigt werden, könnte die Branche in Zukunft erfolgreicher sein. Laut Shen sei das Ziel der Behörden, "die Verteilung des Gewinnkuchens in der gesamten Finanzbranche grundlegend zu ändern".

Die chinesischen Behörden versuchen den 66 Billionen Dollar schweren Finanzsektor des Landes zu säubern, seit Präsident Xi Jinping 2021 die Korruption in der Branche ins Visier nahm. Umfangreiche Prüfungen führten zu Festnahmen und Verhaftungen zahlreicher Finanzfachleute bei chinesischen Banken, Brokerfirmen, Vermögensverwaltern und Versicherungsunternehmen. Zu den härtesten Strafen für Finanzverbrechen gehörten Todesurteile oder lebenslange Haftstrafen für ehemalige Spitzenmanager einiger Institute.

China hat in letzter Zeit mehr Banker zur Verantwortung gezogen. Offiziellen Angaben zufolge haben die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde und die Börsen bis Anfang September 91 Sponsorenvertreter diszipliniert. Im gesamten Jahr 2023 waren es 88 und im Vorjahr 86.

"Entlassung überflüssiger Banker ist der erste und notwendige Schritt"
Letzte Woche kündigte das staatliche Finanzdienstleistungsunternehmen Guosen Securities seine Pläne an, die Firma Vanho Securities fast vollständig zu übernehmen. Einige andere chinesische Brokerfirmen hatten Anfang des Jahres Pläne für den Erwerb von Anteilen an anderen Brokerfirmen geschmiedet.

"Wir brauchen nicht so viele Investmentbanken und die Entlassung überflüssiger Banker ist der erste und notwendige Schritt für China, um erstklassige Investmentbanken aufzubauen", sagte Sun Jianbo, Präsident und Gründer des Pekinger Fondsmanagers China Vision Capital. "Wir werden in Zukunft unweigerlich eine schnellere Konsolidierung und möglicherweise mehr Personalprüfungen erleben." (mb/Bloomberg)