Es ist keineswegs so, als ob Didier Saint-Georges der Mut verlassen hätte. Aus Sicht seiner Geldgeber wäre das auch wenig wünschenswert. Denn Mut ist – gepaart mit einer guten Portion Kalkül und reichlich Erfahrung –  Grundvoraussetzung für das, was dem Managing Director und Mitglied des Investmentkomitees beim Fondsanbieter Carmignac Gestion im vergangenen Jahr gelungen ist: Nämlich, das gut 25 Milliarden Euro schwere Flaggschiffprodukt Carmignac Patrimoine nach manch schwachem Vorjahr wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Mit einem Plus von knapp vier Prozent deklassierte das Portfolio seine Wettbewerber um einen glatten Prozentpunkt. Und das in einem Zeitabschnitt, der von den Referenten auf dem diesjährigen FONDS professionell KONGRESS in Mannheim mit dem Attribut "turbulent" zwar sehr häufig, aber unzureichend umschrieben wird. "Atemberaubend" träfe es schon eher.

Was dem renommierten Carmignac-Chefnavigatoren Sorge macht, ist die Sorglosigkeit anderer. Viele Marktteilnehmer hätten wegen der jahrelangen Unterstützung der Zentralbanken das Risikomanagement vernachlässigt, berichtet Saint-Georges den gebannt lauschenden Kongress-Teilnehmern. "Risikomanagement bedeutet, auf Schwächephasen zu achten", so eines seiner Statements am zweiten Tag des FONDS professionell KONGRESSES. Sowohl Aktien als auch Anleihen seien inzwischen anfällig gegenüber externen Schocks. Doch das sei vielen Anlegern einerlei, meint der Carmignac-Experte: "Viele wiegen sich in Sicherheit."

Neue Kommandowirtschaft?
Unsicherheit drohe derzeit von einigen Seiten – vor allem aufgrund der Unwägbarkeiten, die der Amtsantritt von Donald Trump mit sich bringe. Auch wenn die Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten de facto weniger rigoros ausfallen dürfte als im Wahlkampf angekündigt, bedeute die Ära Trump an den Kapitalmärkten eine Zäsur, meint Saint-Georges.

So habe der überraschende Wahlsieg des politischen Außenseiters den Spieltrieb an den Märkten neu entfacht. "Ein erfolgreicher Geschäftsmann als US-Präsident: Aus Investorensicht heißt das offenbar, dass der Kapitalismus wieder das Steuer übernimmt." Doch mit Trump beginne eigentlich eine Zeitreise zurück in den Merkantilismus – "mit einem starken Staat, der direkt in die Wirtschaft eingreift und sie schlimmstenfalls kommandiert", so Saint-Georges.

Trump sei nur das Symptom eines umfassenderen Problems, sagt der Carmignac-Könner. Das Wahlergebnis sei Zeugnis einer die Grenzen der USA überschreitenden Rebellion gegen die neoliberale Globalisierungsordnung, die seit der Krise des Jahres 2008 an Bedeutung gewonnen habe. Doch die Realwirtschaft werde den Trump'schen Vorhaben, die US-Wirtschaft über massive Ausgabenprogramme anzukurbeln, bald enge Grenzen setzen.

Harte Landung auf dem Boden der Realität
Zwei Leitplanken nennt Saint-Georges in diesem Kontext: den starken US-Dollar und das für die Sichtbarkeit konjunktureller Stimuli ungünstige Timing. Denn nicht erst seit gestern befinde sich die führende Volkswirtschaft der Welt im Aufschwung, mit einem Jobmarkt an der Grenze zum Vollbeschäftigungsniveau. "Trumps Konjunkturpakete gießen Öl ins Feuer", mahnt Saint-Georges, nach dessen Ansicht die logische Folge nur ein deutliches Anziehen der US-Inflation sein könne. "Die Anleihemärkte könnten den Aufstand proben", prophezeit er.

Für die eigene Strategie hat Saint-Georges längst die Konsequenzen gezogen und das Risiko in allen Anleiheportfolios von Carmignac seit Sommer reduziert sowie eine Short-Position in US-Staatsanleihen eingerichtet. "Diese wurde zuletzt noch verstärkt", sagt Saint-Georges.

Trumponomics bestimmen Titelauswahl auf der Aktienseite
Auf der Aktienseite setzt er auf sogenannte "Reflations-Branchen" – vornehmlich den Rohstoff- und den Finanzsektor, die seiner Überzeugung nach eine massive Neubewertung durchlaufen – sowie auf Industrien, denen die angekündigten Infrastrukturinvestitionen zugutekommen. "Wir haben begonnen, die Aktienseite neu zu ordnen. Da unser Portfolio in zyklischen Themen positioniert ist, dürften wir von den Konjunkturprogrammen profitieren", schlussfolgert Saint-Georges, der sich – allen Gefahren zum Trotz – unterm Strich als "Trump-Profiteur" sieht. (ps)