Viereinhalb Jahre, nachdem die Briten mehrheitlich für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben, ist es soweit: Zum Jahreswechsel hat das Vereinigte Königreich den letzten Schritt des Brexits vollzogen, es ist nun nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Nur wenige Tage vorher hatten sich Großbritannien und die EU auf einen Handelsvertrag geeinigt. Andernfalls hätten ein chaotischer Austritt und teils hohe Strafzölle im grenzüberschreitenden Warenverkehr gedroht. Ist nun also alles gut? Mitnichten, sagt Robert Lind, Volkswirt bei der Capital Group: Er erwartet deutliche Belastungen in der Beziehung zwischen Europa und dem Vereinigten Königreich.

Allein die Grenzkontrollen und Zollanmeldungen, die es im Rahmen des neuen Vertrags geben wird, dürften die britischen Unternehmen sieben Milliarden Pfund pro Jahr kosten, schätzt Lind. "Über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren könnte es einen Rückgang des britischen Bruttoinlandsprodukts von fünf bis sieben Prozent geben", prognostiziert er – verglichen mit der Wirtschaftsentwicklung ohne Brexit. Zugleich könnten auch EU-Länder wirtschaftlichen Schaden durch den Brexit erleiden, vor allem solche mit tiefverwurzelten Handelsbeziehungen zu Großbritannien. Dazu zählt der Volkswirt insbesondere Irland, Frankreich, Dänemark, Deutschland, Italien, Spanien, die Niederlande und Dänemark.

Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende
Kurzfristig könnte der Brexit-Vollzug zwar positive Effekte für den britischen Aktienmarkt und das Pfund Sterling mit sich bringen, sagt Lind. "Längerfristig könnte sich ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum jedoch negativ auf Aktien auswirken", warnt er. Der Capital-Group-Volkswirt weist allerdings darauf hin, dass es sich bei dem jüngsten Vertragswerk nur um ein Zwischenergebnis handelt, dass der Status Quo also mitnichten in Stein gemeißelt ist. "Die weitere Entwicklung der Handelsbeziehungen hängt sicherlich von den nationalen Wahlergebnissen Großbritanniens im nächsten Jahr ab", sagt er – und ist sich sicher: "Weitere Verhandlungen werden folgen." (fp)