Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte auch nach der für März angekündigten Zinserhöhung weitere Schritte nach oben vornehmen. Davon ist der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, überzeugt. "Wir müssen meines Erachtens die Zinsen darüber hinaus anheben, um die notwendige Bremswirkung zu erreichen, mit der wir die Inflation zügig und nachhaltig auf zwei Prozent zurückführen", sagte er in einem Interview mit der "Börsen-Zeitung". Lasse die EZB zu früh locker, bestehe die große Gefahr, dass sich die Inflation verfestige. 

Die europäischen Währungshüter hatten bei ihrer ersten Sitzung im neuen Jahr die Leitzinsen am Donnerstag (2.2.) ein weiteres Mal um 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr drei Prozent heraufgesetzt. Dies war bereits die fünfte Erhöhung in Serie – und der Straffungskurs soll vorerst beibehalten werden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat eine erneute Anhebung um einen halben Prozentpunkt für den 16. März bereits in Aussicht gestellt. 

Inflation weiterhin viel zu hoch
Zwar war die Inflation im Euroraum von 9,2 Prozent im Dezember auf 8,5 Prozent im Januar gesunken. Die Kernrate, welche die Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak nicht einschließt, verharrte jedoch auf dem Wert des Vormonats von 5,2 Prozent.

Es sei erfreulich, dass die Inflation zuletzt zurückgegangen sei, erklärte der Bundesbank-Chef im Interview mit der "Börsen-Zeitung". Sie bleibe aber vorerst immer noch viel zu hoch. "Der Rückgang auf 8,5 Prozent im Januar ist von einigen fast schon gefeiert worden. Das kann ich nicht nachvollziehen", sagte Nagel.

"Wir dürfen jetzt keinesfalls nachlassen"
Die Kernrate sei ein wichtiger Indikator für die Geldpolitik. Diese zeige derzeit, dass sich die Inflation immer mehr durch die Wirtschaft fresse und an Breite gewinne. "Das kann uns nicht gefallen. Wir dürfen jetzt keinesfalls nachlassen, auch wenn Energie zuletzt billiger geworden ist", befand der Bundesbank-Präsident. Von Preisstabilität könne noch keine Rede sein. "Zinssenkungen stehen für mich auf absehbare Zeit überhaupt nicht auf der Agenda", erklärte er.

Auch zum geplanten Abbau der durch die Anleihekäufe aufgeblähten EZB-Bilanz, der im März beginnen soll, bezog Nagel Position. Angedacht ist, die Anleihenbestände bis zum Ende des zweiten Quartals 2023 um durchschnittlich 15 Milliarden Euro pro Monat zu reduzieren. Wie schnell der Abbau dann weitergehen soll, steht noch nicht fest. "Erst einmal müssen wir jetzt Erfahrungen sammeln. Aber ich plädiere dafür, dass wir uns rechtzeitig anschauen sollten, wie stark wir das Abbautempo ab Juli erhöhen können", sagte Nagel. Die monatlich 15 Milliarden Euro dürften "da nicht das Ende der Fahnenstange sein". (am)