Zwölf Tage vor der deutschen Bundestagswahl ist an den Finanzmärkten nichts von Unruhe zu spüren. "Zu sehr hat der uninspirierte Wahlkampf offenbar die Anleger eingelullt", sagt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa bei Blackrock. Sowohl CDU als auch SPD haben zuletzt in Umfragen leicht verloren. Bei den vier kleineren Parteien liegen AfD und Linke vorn, mit denen allerdings niemand ernsthaft koalieren möchte. FDP und Grüne erklären unterdessen vor allem, was für sie im Fall einer Regierungsbeteiligung auf keine Fall in Frage käme.

Eine Neuauflage der Großen Koalition erscheint derzeit am wahrscheinlichsten. "Aus Anlegerperspektive sehen wir einen solchen Wahlausgang mit gemischten Gefühlen", sagt Lück. Einerseits würde eine Fortsetzung der Ära Merkel Deutschland kaum voranbringen. Andererseits verspräche sie Berechenbarkeit in wichtigen Fragen wie Migration und Energie – und Verlässlichkeit ist ein Gut, das Anleger schätzen. "Insofern muss ein Szenario, in dem der langweilige Wahlkampf in eine ebenso langweilige Regierungsbildung mündet, nicht unbedingt ein schlechtes sein", urteilt der Stratege.

Interessante Zeiten
Wie es anders geht, zeigt sich etwa in Italien, wo im kommenden Jahr Wahlen anstehen. Dort favorisieren inzwischen drei der vier größten Parteien die Einführung einer Parallelwährung. "Für die antieuropäische Fünf-Sterne-Bewegung und die stramm rechte Separatistenpartei Lega Nord ist das das Kernelement einer perfiden Doppelstrategie", sagt der Blackrock-Experte. Erstens treiben sie so einen Keil zwischen die etablierten Parteien. Zweitens schaffen sie sich so ein gemäßigteres Image als mit ihrer bisherigen Forderung, einem kompromisslosen Euro-Austritt Italiens. (fp)