Wer darf was? Diese Frage müssen sich beim Thema Kryptowährungen vor allem jene Finanzberater stellen, die angesichts der Goldgräberstimmung mit Kundenanfragen bombardiert werden. Eine ausdrückliche Feststellung aus der Wirtschaftskammer hat hier kürzlich die Alarmglocken bei einem Versicherer ausgelöst: Für gewerbliche Vermögensberater sind nämlich grundsätzlich Bitcoin und Co. nicht tabu, erklärt der Fachverband der Finanzdienstleister.

Beratung, Annahme und Übermittlung sind "im Gewerbeumfang möglich", heißt es in einem Leitfaden. Interessant ist das deshalb, weil der Fachverband nur Wochen vor dessen Veröffentlichung noch vom Gegenteil ausgegangen war – nämlich, dass Digitalwährungen nicht in das Gewerbe des Vermögensberaters fallen. Das zeigt eine der Redaktion vorliegende Auskunft.

Versicherer wenig erfreut
Beim Vermögensschadenhaftpflichtspezialisten Höher Insurance ist man über den Schwenk nicht erfreut. "Das heißt, es mussgemäß § 136a Gewerbeordnung auch von der Haftpflichtversicherung gedeckt werden", sagt René Hompasz, Chef von Höher Insurance. Er verspürt nach Meinl- und Immofinanz-Desaster wenig Lust, als Haftpflichtversicherer erneut eine Klagewelle gegen Vermögensberater abarbeiten zu müssen. "Auf jeden Fall muss ein Vermögensberater, der bei uns versichert ist, so eine Tätigkeit als Risikoerhöhung melden", mahnt Hompasz. Ansonsten könne die Versicherung aussteigen. "Spezialisiert sich jemand darauf, kann man das nicht zu gleichen Kosten versichern", so Hompasz.

Die Ursache für die Unsicherheiten in diesem Themenfeld liegt darin, dass Wirtschafts- und Finanzministerium sowie die FMA vor langer Zeit die Zuständigkeit von sich gewiesen haben. Schon 2014 stellten die Neos eine parlamentarische Anfrage und forderten Rechtssicherheit für den wachstumsstarken Kryptowährungssektor. Die Beantwortung fiel ernüchternd aus. Das Finanzministerium sagte, Bitcoin sind keine Finanzinstrumente und betonte den Handelsaspekt. Das Wirtschaftsministerium wollte davon nichts wissen und stellte fest, Kryptowährungen seien keine Handelsware, sondern ein Zahlungsmittel und gehören damit zu den Geld- und Finanzangelegenheiten. Immerhin hat das Finanzministerium vor einigen Wochen Stellung zu steuerlichen Komponenten genommen. Aber richtig verantwortlich für virtuelle Währungen will keiner sein.

"Klarere Zuordnung nötig"
"Es gibt für die Fragen, die die Finanzdienstleister betreffen, keine aktuellere Ansicht. Wir finden auch, dass eine klarere Zuordnung nötig wäre. Ich kann den Vermögensberatern momentan nur raten, sie müssen warnen, warnen, warnen und alles sorgfältig dokumentieren", sagt Sandra Siemaszko, Koautorin des aktuellen Fachverbandsleitfadens zu Kryptowährungen

"Es ist eine heikle Sache. Der Standpunkt ist noch immer, dass alle, die Geschäftsmodelle mit Bitcoin betreiben, in einem konzessionsfreien Rahmen agieren. Daher darf es prinzipiell jeder tun, auch der gewerbliche Vermögensberater", so Siemaszko. "Wir empfehlen, dass man sich für jedes Geschäftsmodell bei der FMA informiert und über das Fintech-Kontaktformular eine konkrete Anfrage stellt", rät die Expertin.

"Ein bisschen zuständig"
Apropos FMA: Die betrachtet sich – salopp formuliert – als "ein bisschen zuständig". Sie lehnt zwar einerseits die Regulierung und Aufsicht von Kryptowährungen ab, stellte aber auch fest, dass für gewisse Geschäftsmodelle auf Bitcoin-Basis eine FMA-Konzession nötig sein kann: zum Beispiel, wenn jemand eine App in Verbindung mit einem Girokonto anbietet. Dann kommt das Bankwesengesetz zur Anwendung.

Dass es auch anders geht, zeigt die deutsche Aufsicht Bafin. Sie hat schon 2013 Bitcoin "rechtlich verbindlich als Finanzinstrumente in der Form von Rechnungseinheiten gemäß § 1 Absatz 11 Satz 1 Kreditwesengesetz (KWG)" qualifiziert und nimmt damit auch bei der Aufsicht das Heft in die Hand.

Ungewissheit für Unternehmer
Wie die österreichischen Unternehmer die schwer berechenbare Realität bewältigen, erklärt Max Tertinegg, Geschäftsführer und Gründer von Coinfinity – nach Eigenangaben größter Bitcoin-Händler im Land. Er stimme prinzipiell jeden Schritt mit der FMA ab und habe "sicherheitshalber" einen Gewerbeschein für Handel und für IT gelöst, obwohl das ja gesetzlich nicht nötig ist. Auch er steht wegen möglicher Haftungsrisiken auf der Bremse: Tertinegg hat versucht, über Vermögensberater das Geschäft anzukurbeln. Doch die Aktivitäten kommen "aus regulatorischen Gründen nicht in die Gänge", erfährt FONDS professionell.

"Die Plattform will ihr Risiko klein halten, nicht zu viel in Kontakt mit unbekannten Größen stehen“, gibt sich Tertinegg zurückhaltend. Der aktuelle Krypto-Hype dürfte ihn aber über die Berater-Flaute hinwegtrösten: "Seit Jahresbeginn hat sich der Umsatz verdrei- oder vierfacht. Wir haben neues Personal eingestellt."

Auf der schwarzen Liste
Tertinegg lobt zwar die FMA wegen ihres Engagements bei der Digitalisierung. Allerdings steht die Behörde ebenso wie andere offizielle Stellen in der Kritik, weil sie einerseits keinen Rahmen schafft, auf der anderen Seite aber großzügig Warnungen verteilt. Diese Strategie hat mitunter Nebenwirkungen für Anleger und Unternehmer, die mit Kryptowährungen zu tun haben.

Experten erzählen uns, dass nicht selten die Bank das Konto kündigt, weil sie dunkle Kanäle vermutet. "Unsere Geschäftspartner sind damit immer wieder konfrontiert", bestätigt Tertinegg. "Aber ehrlich gesagt verstehe ich es. Wenn ich in der Compliance-Abteilung der Bank sitze und auf der FMA-Homepage oder bei der OeNB nur Risikohinweise lese, dann werde ich nicht den Kopf hinhalten für einen Kunden." Immerhin soll die anstehende Novelle der vierten EU-Geldwäscherichtlinie zur Entschärfung des Vorwurfs dunkler Kanäle beitragen: Handelsplattformen von virtuellen Währungen sollen sich künftig ebenfalls an die Geldwäschebestimmungen halten. Prinzipien wie "Kenne deine Kunden" müssen dann auch sie anwenden.

Anleger im schiefen Licht
Tatsächlich kann man vielen Stellen vorwerfen, dass sie mit ihren verallgemeinernden Warnungen kaum effizient zum Anlegerschutz beitragen. Die FMA zum Beispiel differenziert in ihren Appellen oft nicht zwischen weitläufig akzeptierten Währungen wie Bitcoin und augenscheinlichen Betrugsfällen wie Onecoin (ein Pyramidensystem, das in mehreren Ländern die Aufsichten auf Trab hält; FONDS professionell ONLINE berichtete). Damit schwächt die Behörde ihre Glaubwürdigkeit bei Anlegern, die keineswegs in dubioser Absicht in Bitcoin und Co. investieren.

Auch OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny tritt immer wieder als Mahner auf: Bitcoin seien "extrem problematisch", oder es sei "völlig ausgeschlossen", dass das zu einer legalen Währung werden kann. Dem steht gegenüber, dass man Bitcoin, Ether, Dash und Litecoin mittlerweile in den Filialen der halbstaatlichen Post erwerben kann. Und eine – überschaubare – Zahl von Unternehmen akzeptiert Kryptowährungen als Zahlungsmittel: etwa Stadler Völkel Rechtsanwälte in Wien. Geschätzte fünf Prozent des Umsatzes würden alternativ berappt, heißt es.

Der steil nach oben zeigende Kurs von Bitcoin sieht nach allen Erfahrungskriterien und Bewertungsmethoden gelinde gesagt ungesund aus. Gleichzeitig kann man virtuelle Währungen aber als Technologie verstehen. Blockchain, die Technologie, die hinter Kryptowährungen steht, ist nach übereinstimmender Aussage vieler Experten ein wichtiger Baustein für die digitale Zukunft. Ein Investment erscheint unter diesem Aspekt nicht nur als "Zockerei“, wenngleich höchst riskant. Unter diesem Gesichtspunkt sollten sich Zuständige finden, die mehr tun können als mahnen. Das pauschale Ablehnen einer Innovation, deren langfristige Potenziale beträchtlich sind, ist keine geschickte Strategie. (eml)


Den vollständigen Artikel "Eine heikle Sache" können interessierte Leser in der aktuellen Heftausgabe 3/2017 von FONDS professionell  lesen. Angemeldete Mitglieder des FONDS professionell KLUBs finden den Text auch im E-Magazin.