Im Oktober sorgte das britische Statistikamt (ONS) für Irritationen: Zunächst verschoben die Statistiker die Veröffentlichung der Arbeitsmarktzahlen um eine Woche, und als sie dann erschienen, fügten sie sich nicht so recht in die bisherigen Zahlenreihen ein. Den Grund lieferte die Behörde gleich mit: Die "experimentellen" Zahlen stammen demnach aus alternativen Erhebungsquellen. 

Das könnte nach Meinung von Olivier de Berranger, Investment-Chef bei La Financière de l’Echiquier (LFDE), in Zukunft öfters der Fall sein. Denn nicht nur in Großbritannien tun sich die Statistikämter immer schwerer, Antworten auf ihre regelmäßigen Fragebögen zu erhalten. Das ONS erklärte etwa, dass die Zuverlässigkeit der Daten aus den traditionellen Umfragen unter den Privathaushalten sehr ungewiss geworden sei. Die Rücklaufquote, die üblicherweise bei etwa 50 Prozent lag, ist zuletzt auf weniger als 15 Prozent gefallen. Die statistische Repräsentativität der eingegangenen Antworten sinkt damit.

Statistiker bekommen weniger Antworten auf ihre Fragen
Laut LFDE-Experte ist das kein Einzelfall: "Auch in anderen Ländern brechen die Rücklaufquoten der Umfragen ein, die die Grundlage für die Berechnung von Wirtschaftsstatistiken bilden." Dies gelte insbesondere für die USA und auch hier für die Beschäftigungsdaten. Bei der sogenannten JOLTS-Umfrage (Job Openings and Labor Turnover Survey) zu Anzahl der offenen Stellen und Kündigungen lag die Rücklaufquote im Jahr 2015 bei knapp 70 Prozent, zuletzt aber nur noch bei 30 Prozent. "Das könnte die Aussagekraft der zuweilen überraschenden Zahlen, die in den vergangenen Monaten veröffentlicht wurden, infrage stellen", sagt de Berranger. 

Gerade in einer Zeit, in der viele Zentralbanken betonen, dass sie datenabhängig sind und damit jüngsten makroökonomischen Veröffentlichungen große Bedeutung beimessen, ist das nach Meinung von de Berranger von großer Relevanz. Er sagt: "Entscheidungen auf Daten zu stützen, ohne von deren Zuverlässigkeit überzeugt zu sein, bedeutet für die großen Schatzmeister der Welt, ihren Kurs mit einem Kompass zu steuern, ohne sicher zu sein, dass dieser tatsächlich nach Norden zeigt." (jh)