An den Finanzmärkten fiebert man der US-Präsidentschaftswahl am 3. November entgegen. Anleger hoffen nicht nur auf einen – je nach politischer Präferenz – für sie günstigen Wahlausgang, sondern auch darauf, dass nach der Wahl wieder ein Stückweit Ruhe einkehrt im Politikbetrieb der Vereinigten Staaten. Diese Hoffnung könnte allerdings vergebens sein, sagt Mickey Levy, US-Chefvolkswirt bei Berenberg. "Die USA werden auch nach der Präsidentschaftswahl nicht zur Ruhe kommen", warnt er. "Die amerikanische Gesellschaft ist zu heterogen, zu fragmentiert und zu polarisiert, als dass die gesellschaftliche Stimmung durch eine andere Politik in absehbarer Zeit befriedet werden könnte."

Noch ist nicht einmal klar, ob es nach der Wahl tatsächlich eine andere Politik geben wird als bisher, auch wenn Joe Biden die meisten Umfragen anführt. Eine zweite Amtszeit von Donald Trump würde wohl weitere vier Jahre politische Sprunghaftigkeit und gesellschaftliche Spannungen bedeuten, analysiert Levy. In der Handelspolitik würde Trump aller Voraussicht nach weiter auf Konfrontation und Protektionismus setzen. Biden dürfte zumindest gegenüber der Europäischen Union in Handelsfragen einen versöhnlicheren Ton anschlagen.

Biden-Sieg könnte Anleger in Aufruhr versetzen
Sowohl unter Trump als auch unter Biden dürften Haushaltsdefizit und Staatsschulden der USA weiter steigen, ist man bei Berenberg überzeugt. "The Donald" dürfte allerdings in der Wirtschaftspolitik seinen Deregulierungskurs fortsetzen. Von seinem Opponenten wären dagegen deutlich schärfere Regulierungen zu erwarten, unter anderem strengere Regeln für den Arbeitsmarkt. Biden schlägt zudem massive Steuererhöhungen vor, die in erster Linie Besserverdiener und Unternehmen treffen würden.

Letztlich könnte ein Wahlsieg Bidens unter Investoren womöglich für mehr Unruhe sorgen als Trumps Wiederwahl: "Sein offizielles Programm birgt erhebliche Unsicherheiten für den wirtschaftlichen Ausblick und die Märkte, da es die belastendste Steuer- und expansivste Ausgabenpolitik sowie die schärfsten Regulierungen in der modernen US-Geschichte beinhaltet", sagt Levy. Ob der Herausforderer seine Pläne im Falle eines Sieges wirklich umsetzen könnte, ist indes unklar. Es hängt unter anderem davon ab, ob die Demokraten die Mehrheit im Senat erringen. (fp)