Vor einigen Tagen warnte Fonds-Urgestein Klaus Kaldemorgen vor negativen Konsequenzen für Anleger wegen des Skandals um industrieweite Manipulationen bei Dieselmotoren. Nun legt Harald Preißler nach. Er findet es erstaunlich, dass sich die Aktien der betroffenen Automobilhersteller angesichts der jüngsten Skandale überhaupt noch im Plus befinden, äußert der Chefvolkswirt des Fondsanbieters Bantleon in einer aktuellen Markteinschätzung.

Die Zeitungen seien dieser Tage voll von Berichten über die Verfehlungen der deutschen Autobauer. Noch profitieren die Unternehmen von den Absatzrekorden im zweiten Quartal. Die Erwartungen haben sich allerdings wegen "Dieselgate", dem drohenden Fahrverbot für Dieselfahrzeuge und den Kartellvorwürfen deutlich eingetrübt, sagt Preißler.

Das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit von Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge goss ebenso Öl ins Feuer wie das vom Bundesverkehrsministerium verhängte Zulassungsverbot für ein mit verbotener Schummel-Software ausgestattetes Porsche-Modell. In den USA wurden bereits erste Schadenersatzklagen gegen deutsche Premium-Hersteller eingereicht. "In Anbetracht der Gemengelage ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Totgesänge auf die deutsche Autobranche, ja die gesamte deutsche Wirtschaft, angestimmt werden", sagt Preißler.

Gute Nachrichten interessieren nicht mehr
Aktuell entfallen rund 20 Prozent der industriellen Wertschöpfung in Deutschland auf den Fahrzeugbau. Im Jahr 2001 waren es noch weniger als 13 Prozent. "Seine wahre Bedeutung dürfte aber noch viel größer sein, denn für andere Sektoren wie Kunststoffe und Elektrotechnik ist der Fahrzeugbau inzwischen der größte Abnehmer", erklärt der Bantleon-Ökonom. Reißen die Negativschlagzeilen nicht bald ab, könnte die Auto-Krise die gesamte deutsche Wirtschaft dauerhaft belasten.

Angesichts der Skandale wanderte die Nachricht über die Aufwärtsrevision der VW-Gewinnerwartungen in den Hintergrund, ebenso die anderen überwiegend positiven Überraschungen der aktuellen Berichtssaison. Zu allem Übel lastet auch der starke Euro auf den PKW-dominierten europäischen Börsenindizes. "Dementsprechend fallen auch die Aussichten für den deutschen Aktienmarkt durchwachsen aus", sagt Preißler. (fp)