Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat wegen des schlechten Abschneidens seiner Partei bei den Europawahlen am vergangenen Wochenende das Parlament aufgelöst und für den 30. Juni beziehungsweise 7. Juli Neuwahlen angekündigt. Bisher hält seine Partei Renaissance zusammen mit der gemäßigten Rechten (Les Républicains) eine knappe Mehrheit der Sitze – 306 von insgesamt 577 Sitzen. 

Angesichts der aktuellen Wählerstimmung ist davon auszugehen, dass die Renaissance Mandate verlieren wird und der Stimmenanteil der Le-Pen-Partei Rassemblement National (RN) deutlich ansteigen dürfte. Das wird für politische Unsicherheiten sorgen und sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken, wie Daniel Hartmann, Chefvolkswirt des Asset Managers Bantleon, in einem Marktkommentar ausführt.

Politischer Stillstand
Hartmann geht davon aus, dass der RN wegen des zweistufigen Mehrheitswahlrechts nicht die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament erreichen wird. Vielmehr dürfte es auf ein zersplittertes Parlament hinauslaufen. "Der neue Premierminister muss aller Voraussicht nach mit wechselnden Mehrheiten regieren, was zu politischem Stillstand führen könnte. Dies wäre aber auch bei einem Sieg des RN der Fall, da die politische Schnittmenge mit Macron gegen null tendiert", so der Experte. 

Dabei könne das Land Unsicherheiten nicht brauchen. Das französische Haushaltsdefizit ist 2023 mit 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) höher ausgefallen als erwartet. Dieses Jahr werden 5,1 Prozent angestrebt. 2027 soll das Budgetdefizit wieder unter drei Prozent liegen. "Um diesen Konsolidierungspfad sicherzustellen, sind Sparmaßnahmen unerlässlich. Angesichts der politischen Unsicherheit ist es jedoch fraglich, ob diese Ziele eingehalten werden können. Es droht vielmehr in den nächsten Jahren eine laxe Haushaltspolitik und eine weiter steigende öffentliche Schuldenstandsquote, aktuell rund 110 Prozent des BIP", schreibt Hartmann.

Herabstufung durch S&P
Die Agentur S&P habe das Rating von Frankreich Anfang Mai nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die mangelnde Haushaltsdisziplin und die politische Instabilität von "AA" auf "AA-" herabgestuft. Weitere Herabstufungen seien somit in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen wahrscheinlich. Die Ratingagentur Moody’s hat bereits eine erste Warnung an Frankreich ausgesprochen. Zudem haben sich die Spreads zehnjähriger französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen in einer ersten Reaktion von 48 auf 65 Basispunkte ausgeweitet, was in etwa den Höchstständen der Vorjahre entspricht. 

"Das Ergebnis der kommenden Parlamentswahlen könnte den Auftakt für langjährigen politischen Stillstand in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Währungsunion bedeuten. Außerdem unterstreicht Macrons Coup die Risiken für die nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2027. Aus dem gemäßigten politischen Lager drängt sich aktuell kein Nachfolger zu Macron auf. Die Spreadrisiken für Frankreich und die gesamte Peripherie haben somit zugenommen, was in der Tendenz für eine Untergewichtung gegenüber Bundesanleihen beziehungsweise den anderen verbleibenden Kernstaaten spricht", so Hartmann. (fp)