Anleger haben den jüngsten Aussagen von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), bislang zu wenig Beachtung geschenkt – und das, obwohl er mit drastischen Maßnahmen gedroht hat. Das sagt Daniel Hartmann, Chefvolkswirt beim Fondsanbieter Bantleon. Draghi hatte im Rahmen des jüngsten Notenbanktreffens nichts unversucht gelassen, um den Euro schwach zu reden. Die EZB werde im Notfall ihre Anleihekäufe verlängern, zudem sei eine Leitzinserhöhung äußerst unwahrscheinlich. 

Der Notenbankchef hatte zudem in ungewohnt deutlicher Form Kritik am US-Finanzminister geübt, der beim WEF-Jahrestreffen in Davos die Schwäche des US-Dollars ausdrücklich begrüßt hatte. Nicht wenige Beobachter deuten die schrillen Töne als Säbbelrasseln für einen möglichen Währungskonflikt. Solche Aussagen stünden nicht im Einklang mit internationalen Abkommen und würden einen Abwertungswettlauf schüren, sagte Draghi. Tags drauf pflichete Benoit Coeure Draghi bei: Die großen Industriestaaten sollten nach den Worten des EZB-Direktors ihre Währungen nicht dazu einsetzen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. "Das letzte, was die Welt heute braucht, ist ein Währungskrieg".

Mache diese Haltung Schule, müsste die EZB sogar überlegen, ihre Strategie anzupassen und ihrerseits Maßnahmen ergreifen, um den Euro zu schwächen, meint Bantleon-Experte Hartmann. "All dies fand aber an den Finanzmärkten bislang nur wenig Wiederhall. Die Akteure störten sich offensichtlich daran, dass Draghi nur die Volatilität nicht aber das Niveau des Wechselkurses als besorgniserregend ansah". Auch Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, hatte Draghis drastische Worte in Richtung des US-Finanzministers für "überraschend" befunden. "Draghi sieht darin eine Abkehr von bisherigen Spielregeln, die für die Regierungen und Notenbanken gälten, um Währungskriege zu vermeiden", so Junius. Normalerweise äußerten sich Vertreter von Notenbanken nicht so explizit zu Wechselkursfragen. 

EZB ist nicht bereit, ihre Politik zu ändern
Unabhängig von der kurzfristigen Reaktion der Finanzmärkte lasse sich jedoch folgendes Fazit ziehen, so Hartmann: "Die EZB ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bereit, von ihrer ultraexpansiven Ausrichtung abzurücken." Sorge bereiten nach wie vor die tiefen Inflationszahlen. Die Notenbanker wollen daher auf keinen Fall eine Verschärfung der Finanzierungskonditionen riskieren. Die Währungshüter werden sich entsprechend mit der Anpassung der Forward Guidance Zeit lassen. (fp)