Nach einem beispiellosen Crash der Rentenmärkte bergen Bonds angesichts eines drohenden Konjunkturabschwungs wieder Chancen – und bessere Aussichten als Aktien. Dies sagte Stephan Kuhnke, Vorsitzender der Geschäftsleitung und Leiter Anlagemanagement der Investmentgesellschaft Bantleon, im Gespräch mit FONDS professionell. "Wir erlebten einen Kurseinbruch in noch nie dagewesenem Ausmaß. Anleihen verzeichneten den stärksten Renditeanstieg in der Nachkriegsgeschichte", sagte Kuhnke. "Nicht nur die kurze Zeit, in der die Renditen kletterten, sondern auch das Ausmaß des Anstiegs ist einzigartig."

Diese Entwicklung sei zum einen den Negativzinsen entsprungen. "Die Kupons als Kompensator gegenüber Kursverlusten waren damit ausgefallen", erläuterte der Bantleon-Chef. Zum anderen hätten die Notenbanken die Inflation komplett unterschätzt und als temporäres Phänomen abgetan. "Dann steuerten sie aggressiv dagegen mit raschen Zinsanhebungen in so noch nicht gekanntem Ausmaß. Daher kam es zu schmerzhaften Zinsanstiegen." Wo der Markt jetzt stehe, erscheinen Anleihen "definitiv wieder attraktiv", führte Kuhnke aus.

"Fed muss eine Rezession herbeiführen"
"Der Rentenmarkt bietet im kommenden Jahr sogar bessere Ertragsperspektiven als der Aktienmarkt", ergänzte der Volkswirt. Er verwies als Begründung auf die sich abzeichnende Konjunkturflaute, einen Rückgang der Inflation und damit einhergehend niedriger als gemeinhin erwartete Leitzinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hingegen hatte zuletzt weitere Zinsschritte angekündigt. Sie sieht weiterhin die Notwendigkeit für eine restriktivere Politik. "Wir sind da komplett anderer Meinung. Wir erwarten eine Rezession in Europa – und auch in den USA", sagte Kuhnke.


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Die US-Notenbank wiederum müsse weiterhin für Entspannung am Arbeitsmarkt sorgen, um die Inflation zu senken. "Daher muss sie eine Rezession herbeiführen, auch wenn sie das nicht so klar kommunizieren darf", sagte Kuhnke. "Die steigenden Zinsen bremsen den Immobilienmarkt und dämpfen den Konsum und letztendlich die Konjunktur." Die Notenbanken würden daher den eingeschlagenen Weg der Leitzinserhöhungen letztlich nicht fortführen. Im nächsten Jahr rechnen die Bantleon-Volkswirte für die Eurozone mit einer nur noch halb so hohen Inflationsrate.

"Anleihen sind so spannend wie lange nicht mehr"
"Basiseffekte kommen ins Spiel", führte Kuhnke aus. Die Preise für Energieträger würden sinken. Um erneut hohe Inflationsraten anzufachen, müssten sie wieder deutlich steigen. "Das ist nicht abzusehen", meinte Kuhnke. Zwar werde es auch zu Lohnerhöhungen kommen. "Die bisherigen Tarifabschlüsse fielen jedoch vernünftig aus", urteilte Kuhnke. Denn sie stünden unter dem Eindruck der nahenden Rezession und einem möglichen Arbeitsplatzabbau. "Zudem dürften die Menschen Lohnerhöhungen angesichts eines möglichen Arbeitsplatzverlustes horten und nicht für den Konsum ausgeben", so Kuhnke. "Zweitrundeneffekte werden also nicht greifen."

Im Zuge der Wirtschaftslaute werde die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen im Laufe des Jahres 2023 von derzeit mehr als zwei Prozent auf ein Prozent sinken, prognostizierte Kuhnke. Die Kursgewinne zusammen mit den Kupons ließen dann eine Performance von gut zehn Prozent erwarten. "So eine Performance für ein Jahr lässt die Rentenmärkte ausgesprochen attraktiv erscheinen", meinte Kuhnke. Die Aktienmärkte würden 2023 demgegenüber unter dem Eindruck der Rezession kaum ihre durchschnittliche Rendite von fünf bis sieben Prozent per annum erreichen können. "Anleger sollten sich mit hochqualitativen Staatsanleihen auseinandersetzen", folgerte Kuhnke. "Anleihen sind so spannend wie lange nicht mehr." (ert)