Das Urteil der Finanzmärkte über den neuen US-Präsidenten fällt bislang sehr gemischt aus: Während US-Aktien und Titel aus den westlichen Industrie-Staaten – trotz protektionistischer Misstöne – sowie Industriemetalle einen US-Wirtschaftsaufschwung einpreisten, würden in den Schwellenländern eher die Befürchtungen vor einem stark aufwertenden US-Dollar mit anschließender Kapitalflucht betont. Diese Fazit zieht Robert Halver,  Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, eine gute Woche nach dem aufsehenerregenden Ausgang der Wahlen.

Von entscheidender Bedeutung sei jedoch die durch die amerikanische Konjunkturbelebung keimende Gefahr wiederkehrender Inflation, die nach Lehrbuchmeinung zu Leitzinserhöhungen und steigenden Anleiherenditen führen müsse, so Halver weiter. Damit wäre jedoch nicht nur die Liquiditätshausse am Aktienmarkt gefährdet, sondern auch das systemische Risiko eines Platzens der weit und breit größten Anlageblase der Welt – die Anleiheblase – gegeben. 

"Trump Jump" der US-Konjunktur?
Donald Trump will die US-Wirtschaft auf radikalen Wachstumskurs bringen. Mit umfangreichen Infrastrukturmaßnahmen von einer Billion US-Dollar über zehn Jahre soll die Reindustrialisierung Amerikas durchgeführt werden. Dramatische Investitionsbeihilfen für Private sollen die nötigen Anreize für die Modernisierung von Brücken, Autobahnen, Flug- und Seehäfen, Schulen und Krankenhäusern schaffen. 

"Gemeinsam mit einer umfassenden Deregulierung des Energie- und Finanzsektors sowie großen Steuersenkungen sollen die USA als Wirtschaftsstandort weltweit an Attraktivität gewinnen", fasst Halver einige Kernpunkte von Trumps Wahlprogramm zusammen. "Damit sollen nicht zuletzt abgewanderte US-Firmen mit ihren im Ausland geparkten Gewinnen veranlasst werden, in die USA zurückzukehren", ergänzt er.

Tatsächlich seien Steuern ein markantes Investitionskriterium für Unternehmen. Der US-Aktienmarkt honoriere Trumps Konjunkturpläne daher mit deutlichen Kurssprüngen, so Halver. Der Dow Jones als Index der großen Industriewerte reagierte sogar mit zwischenzeitlichen Rekordständen. Auf Sektor-Ebene setzen Industrie-, Technologie-, aber vor allem Banktitel als Hauptprofiteure von Trumps Konjunktur- und Deregulierungsagenda ihre Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt fort, beobachtet der Baader-Experte. "Aber auch Autowerte zeigten sich stabil. Ihnen kämen gelockerte Umweltstandards und Standortverbesserungen zugute", so Halver.

Perfekt ist unmöglich, besser ist möglich 
Erfolgsentscheidend für ausländische Exportaktien sei, inwiefern sie von dieser Wachstumsfantasie profitieren könnten, ist Halver sicher – und zieht historische Parallelen. "In den 1980er Jahren unter Reagan war dies unzweifelhaft der Fall. Bei Trump stellt sich die Frage, welche Rolle der Protektionismus des Wahlkampfes in der tatsächlichen Politik noch spielen wird." 

Die anfängliche Panik im Ausland scheine jedoch gewichen zu sein. Man vertraue auf den Druck Chinas, das im Falle von US-Schutzzöllen bereits angekündigt hat, Importstopps auf US-Agrargüter zu verhängen und große Industrieaufträge nicht mehr an die USA, sondern an europäische Partner zu vergeben. "Ohnehin präsentiert sich Trump bei jeder Gelegenheit deutlich moderater und realpolitischer als noch im Wahlkampf", hat Halver beobachtet.

Ein starker US-Dollar: Gut für Europa, schlecht für die Schwellenländer
Vor diesem Hintergrund zeigten die Industrieländer eine Outperformance gegenüber den Schwellenländern. Offensichtlich überwiege die Meinung, so Halver, dass ein reindustrialisiertes Amerika am Industrie Know-how aus Japan und Deutschland schlicht nicht vorbeikomme. Die deutliche Abschwächung von Euro sowie Yen komme zur Exportunterstützung hinzu. 

Ein umgekehrter Währungseffekt ergebe sich in den Schwellenländern. Dort schüre eine von der US-Wachstumsoffensive ausgehende "Trumpflation“ Ängste vor einer deutlich restriktiveren Fed. "Das begünstigt wegen steigender amerikanischer Zinsen und Renditen, gepaart mit einhergehenden Währungsgewinnen des Dollars, die Rückführung von Kapital aus Schwellenländern in die USA", analysiert Halver. (kb/ps)