Die Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) beflügeln die Banken offensichtlich nicht in punkto Kreditvergabe an die Privatwirtschaft, stellt Robert Halver fest, Leiter der Kapitalmarktanalyse der Baader Bank.

"Banken sehen sich in der Kreditvergabe zunächst dem Handicap ausgesetzt, dass sie Privatkredite im Gegensatz zu Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen, das im Augenblick aber ein sehr knappes Gut ist", sagt er. Seien die Renditeaussichten der kreditnachfragenden Unternehmen zu gering, nähmen die Banken keine Kreditausleihungen vor. "Und da helfen fatalerweise auch die im Durchschnitt gesunkenen Zinsen für Unternehmenskredite in Euroland nicht", so Halver. Denn die Kredit- beziehungsweise Risikomargen seien damit angesichts der konjunkturellen Risiken ebenfalls gesunken.

"Die Theorie von Keynes in der praktischen Anwendung"
Nichts verdeutliche die Kreditzurückhaltung der Banken mehr als ihre aktuell enttäuschend geringe Aufnahme zweckgebundener Langfristkredite der EZB in Höhe von nur 82,6 Milliarden Euro. "Die Theorie von Keynes der Liquiditäts- und Investitionsfallen findet in der Eurozone praktische Anwendung", konstatiert der Analyst. "Zinsen haben ihre Wirkung zumindest auf die Privatwirtschaft verloren."

Das Ziel der EZB, ihre Bilanzsumme über Liquiditätsausweitungen in absehbarer Zeit um schätzungsweise eine Billion Euro auf den Stand von Juli 2012 auszuweiten, scheine über diesen Kanal nicht erreichbar zu sein, so Halver. Daher will die EZB ab Oktober massiv verbriefte, kreditbesicherte Wertpapiere (ABS) erwerben.

Sind High Yields die neuen Staatsanleihen?
Das beabsichtigte Aufkaufprogramm der EZB habe sich bereits in den europäischen Rentenmärkten niedergeschlagen, so der Experte der Baader Bank.

"Da zurzeit kein Aufkauf von Staatspapieren der Eurozone geplant ist, scheint ihr Kurspotenzial weitestgehend ausgeschöpft zu sein", sagt er. "Dagegen können sich Unternehmensanleihen und selbst der High-Yield-Sektor zumindest stabilisieren." Mit dem Aufkaufprogramm bekämen die letztgenannten Anleihesegmente einen gewissen risikoverringerten, quasi staatsanleiheähnlichen Charakter. (mb)