Die kurzfristig angestiegene Inflationsrate in der Eurozone – von 0,5 Prozent im März auf 0,7 Prozent im April – habe den Spekulationen über ein Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Dämpfer verpasst, urteilt Robert Halver, Kapitalmarktanalyst der Baader Bank. Die nach wie vor signifikante Unterschreitung des EZB-Inflationsziels von zwei Prozent lade die Notenbank aber zu weiteren geldpolitischen Maßnahmen ein. Erneute Leitzinssenkungen, negative Einlagezinsen und an Bedingungen geknüpfte längerfristige Kredittender der EZB, aber auch der Aufkauf verbriefter Unternehmenskredite aus den Beständen der Euro-Geschäftsbanken werden nach der Europa-Wahl am 25. Mai an Bedeutung gewinnen, ist Halver überzeugt.

Die US-Notenbank Fed drosselt zwar die Liquiditätszuführung weiter und dürfte diese im Herbst beendet haben. Trotzdem wird sie nicht müde zu betonen, dass das aktuelle Niedrigzinsniveau auch wegen der US-Wachstumsschwäche im ersten Quartal wohl länger als gedacht andauern wird. Insgesamt habe die Liquiditätsschwemme der Notenbanken die Erholungsprozesse bei Unternehmen vorangetrieben, sagt Halver. Konzerne wurden restrukturiert, Produktionsprozesse optimiert und die Unternehmensbilanzen saniert. In der Folge habe sich die Liquiditätsausstattung insbesondere der US-Unternehmen deutlich von ihren Tiefständen 2009 erholt, so der Analyst.

Liquidität begünstigt Übernahmen
Eine überzogene Liquiditätshaltung komme an der Börse nicht gut an, weil sich der Unternehmenswert durch eine niedrig verzinsliche Kassenhaltung nicht signifikant erhöhen lasse, erklärt Halver. "Vielmehr laden die weltweit rekordniedrigen Zinsen zu Fremdkapitalaufnahmen über zum Beispiel Unternehmensanleihen ein, die dann gemeinsam mit hohen Liquiditätspolstern zu prall gefüllten Kriegskassen für Übernahmen und Fusionen führen." Bestes Beispiel dafür sei der Übernahmekampf von General Electric und Siemens um das französische Energie- und Transportunternehmen Alstom. "Diese globalen Übernahmephantasien, die sich auch im Bau-, Pharma- und Chemiesektor zeigen, sind eine bedeutende fundamentale Stütze für die Aktienmärkte, die diese Art der Liquiditätshausse bereits deutlich signalisieren", so der Kapitalmarktexperte. "Nicht zuletzt ist es ein klarer Beweis, dass die globale Wirtschaftslage besser als ihr Ruf ist." (mb)