Die USA haben die Zinswende bereits eingeläutet. Andere Industriestaaten werden auf mittlere Sicht der Notenbank Fed folgen. Neben dem Wirtschaftswachstum spricht vor allem das sich in den kommenden Jahren ändernde Sparverhalten breiter Bevölkerungsschichten für einen baldigen Anstieg der Zinsen auf Vorkrisenniveaus, erläutert Ano Kuhanathan, Ökonom beim Fondsanbieter Axa IM, im Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE. (ps)


Die anhaltende Niedrigzinsphase weiterhin als Phase zu bezeichnen, dürfte inzwischen nicht mehr akkurat sein: Egal ob es um Deutschland geht, um die USA, um Großbritannien oder Japan – die Zinsen halten sich seit Jahren hartnäckig auf einem niedrigen Niveau. Neben dem Quantitative Easing wird als Grund für die Stagnation häufig die Ersparnisschwemme genannt, die vor allem in wohlhabenden Ländern ausgeprägt ist. Letztere wird unserer Ansicht nach jedoch nicht mehr lange anhalten.

Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen die zunehmend älter werdende Bevölkerung, zum anderen die Schere zwischen den Gehältern unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, die sich weiter spreizen dürfte. Beide Themen schaffen einen Ausgangspunkt für kommende Zinserhöhungen. 

Ältere Menschen sparen weniger...
Es erscheint wie der natürliche Lauf der Dinge: Sobald ein bestimmtes Alter erreicht wird, sind Ersparnisse zum Ausgeben da. Schließlich arbeiten die meisten Menschen ein Leben lang, um sich abzusichern – das soll sich spätestens ab der Rente lohnen.

Das zeigen auch Profile zum Sparverhalten für die USA, Frankreich, Deutschland und Japan: In allen genannten Ländern sinkt der Sparanteil vom Einkommen zwischen dem 55. und dem 64. Lebensjahr, und das, obwohl die Sparquoten ansonsten wenig miteinander gemein haben. Die demografische Entwicklungs-Prognose der UN sagt einen zunehmend größer werdenden Anteil von älteren Personen bis 2050 voraus. Wir gehen deshalb davon aus, dass teilweise große Ersparnisse, die noch während der Finanzkrise angelegt wurden, bald zurück in den Markt fließen werden.

...Besserverdiener dagegen mehr
Das Alter ist jedoch nicht der einzige Faktor, der das Sparverhalten beeinflusst: Es hängt auch von der Höhe des Einkommens ab, ob jemand geneigt ist, sein Geld lieber auf die sichere Bank zu legen. Daten belegen, dass das Quintil der Top-Verdiener seine Ersparnisse im Rentenalter nicht ausgibt, ganz im Gegensatz zu anderen Einkommens-Segmenten. Es ist daher anzunehmen, dass wenn die Ungleichheit weiter ansteigt, dies zu einem wachsenden Anteil von Top-Verdienern in der Gesamtbevölkerung führen und der Einfluss der alternden Gesellschaft auf die Sparquoten zumindest zum Teil ausgeglichen werden könnte.

Es gilt entsprechend zwei Szenarien zu beleuchten: höhere Einkommensungleichheit (Downside Risiko) und geringere Einkommensungleichheit (Upside Risiko). Für die Analyse dieser beiden Risiken haben wir die Einkommens-Segmente sowie die Sparquoten von den USA, Japan und Frankreich berücksichtigt. Bei einer geringeren Einkommensungleichheit gehen wir davon aus, dass geringe Einkommen schneller wachsen als höhere. Dieses Szenario würde zu einer niedrigeren Sparquote in allen genannten Ländern führen.

Eine höhere Einkommensungleichheit dagegen, also die Zunahme von hohen Einkommen, würde die demografischen Effekte für die USA, Japan und Frankreich aushebeln: Die Sparquoten in den USA und Japan blieben stabil, in Frankreich würden sie sogar etwas über dem jetzigen Stand pendeln. Konkret bedeutet das: Entweder die Sparquoten halten ihr jetziges Level, oder aber sie sinken mit der geringeren Einkommensungleichheit – ein Szenario, das wahrscheinlicher ist.

Höheres Wachstum führt zu steigenden Zinsen
Dementsprechend dürften auch Investitionen von Unternehmen wieder zunehmen. Ein weiterer Faktor, der in den vergangenen Jahren Druck auf die Zinsen ausgeübt hat, würde damit ausgemerzt. Auf ein schnelleres Wirtschaftswachstum folgen in der Regel höhere Investitionen, welche wiederum das Zinsniveau steigen lassen.

Das Wirtschaftswachstum entwickelt sich laut unseren Szenarien in den wichtigsten Industrieländern allerdings unterschiedlich: In Europa und Japan wird es etwas langsamer anlaufen als in den USA. Die Wachstums-Hierarchie aus der Zeit vor der Finanzkrise wird also voraussichtlich beibehalten werden, wohingegen das Trendwachstum insgesamt wahrscheinlich niedriger ausfallen wird: Unsere Berechnungen ergeben 1,6 Prozent in den USA, 1,4 Prozent in den UK, 1,2 Prozent in der Eurozone und 0,6 Prozent in Japan. Für 2021 erwarten wir unter dieser Annahme in den USA einen Leitzinssatz von 3,45 Prozent, in Großbritannien von 2,5 Prozent, in Deutschland von 2,3 Prozent und in Japan von 1,0 Prozent.

Fazit: Aus unserer Sicht gibt es nur wenig Raum für die Hypothese einer langanhaltenden Stagnation. Unsere Analyse zum künftigen Wirtschaftswachstum und auch die globale Auswertung zum Sparverhalten liefern uns gute Gründe zur Annahme, dass die Zinsen mittelfristig wieder steigen werden.


Über den Autor: Ano Kuhanathan arbeitet seit Juni 2016 als Ökonom bei Axa Investment Managers. Er verfügt über einen Doktortitel in Volkswirtschaft von der Pariser Dauphine-Universität. Vor seinem Eintritt bei Axa IM arbeitete er unter anderem bei verschiedenen großen Investmentbanken und war als Universitätsdozent tätig.