Die düsteren Prognosen des vergangenen Herbstes und Winters haben sich nicht bewahrheitet. Die deutsche Wirtschaft konnte im ersten Quartal 2023 eine Rezession vermeiden, in der Eurozone gab es ein leichtes Wachstum, und die Inflationsrate ist etwas gesunken. Entwarnung kann dennoch nicht gegeben werden. "Eine Rezession bleibt wahrscheinlich, und die politischen Risiken sind groß", warnt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM.

Zu den Risikofaktoren zählt er die gestiegenen Leitzinsen, die sich nach und nach konjunkturell bemerkbar machen und die Wirtschaft belasten. "Zudem laufen die pandemiebedingten Nachholeffekte beim Konsum irgendwann aus", so Gerlinger. Die bisher konjunkturstabilisierenden Extra-Ersparnisse aus der Corona-Zeit seien inzwischen aufgebraucht. Die Folge: Mäßige Wachstumsaussichten der etablierten Industrieländer. Zwar bleibe das Wachstum in Indien kräftig, in China ziehe es sogar deutlich an. Aber, so prognostiziert Gerlinger: "Das wird das globale Wachstum zwar stützen, jedoch eine Rezession nicht verhindern können."

Politische Risiken sorgen für Unruhe
Auch aus der Politik drohen Risiken. Gerlinger nennt den lange schwelenden Streit in den USA um die Anhebung der Schuldenobergrenze. Der Krieg in der Ukraine bleibe ebenso ein Unsicherheitsfaktor wie der Konflikt zwischen den USA und China. Zudem könnten die Turbulenzen im Finanzbereich jederzeit wieder aufflackern. Angesichts dieser Herausforderungen zeigten sich die Aktienmärkte bislang relativ robust. Die gemischten Signale von der Konjunkturseite blieben ohne negative Effekte. Die März-Turbulenzen im Bankensektor seien problemlos verarbeitet worden. Auch die Berichtssaison der Unternehmen stelle keine Belastung dar.

Nach den kleinen Zinsschritten im Mai bleibe offen, wie die Zentralbanken die Lage bei der Inflation bewerten werden. "Wir sehen einen weiteren leichten Anstieg der Renditen am ganz kurzen Ende", so Gerlinger. "Am langen Ende dagegen kommt nicht mehr viel." Denn langsam, aber sicher dränge sich das Thema Rezession in den Vordergrund und werde sich Ende 2023 und Anfang 2024 voll entfalten – mit entsprechendem Druck auf die Renditen an den Rentenmärkten.

Die Unsicherheit bei der Entwicklung von Inflation und Leitzinsen verstärke die Risiken wie auch die Chancen für den konjunkturellen Ausblick und in der Folge für die Unternehmensgewinne. Dazu komme eine Vielzahl von politischen Spannungen. "Sicher ist deswegen vor allem eines", sagt Gerlinger: "Langeweile wird nicht aufkommen." (fp)