Die Europäische Union hat unlängst das Wiederaufbauprogramm "Next Generation EU" ins Leben gerufen. Der Fonds wird durch die Emission von EU-Anleihen finanziert. Länder, die Gelder aus diesem Fonds beziehen, machen damit keine neuen Schulden. Alte Staatsschulden bleiben jedoch bestehen. Zusätzlich wird es die Möglichkeit geben, Steuern auf europäischer Ebene zu erheben.

Zwar zeige das Programm den guten Willen der EU, meint Hans Stegemann, Chefstratege beim Vermögensverwalter Triodos Investment Management. Er befürchtet aber vor allem, dass die EU zur Schuldenunion wird: "Ein weitreichender Anstieg des gemeinsamen Schuldenbergs lässt sich schon heute skizzieren. Die Länder Südeuropas werden es in der Eurozone auch weiter schwer haben, strukturelle Reformen werden nicht erzwungen", sagt er. "Das Einzige, worauf sich zukünftige Generationen verlassen können, ist, dass sie höhere Schulden tragen."

Viel zu klein
Das Programm sei außerdem viel zu klein, um wirklich großen Einfluss zu haben. "750 Milliarden entsprechen weniger als fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts der EU. Das Programm wird somit längst nicht genug sein, um die Auswirkungen der Coronakrise zu bekämpfen", sagt Stegemann.

Damit ein Land auf die Gelder aus dem Fonds zurückgreifen kann, muss es außerdem ein kompliziertes Verfahren durchlaufen. "Die nationalen Regierungen müssen zuerst Pläne erstellen, die auf europäischer Ebene geprüft werden müssen und erst dann kann ein Zuschuss oder Kredit gewährt werden", sagt Stegemann. Die Bedingungen für diesen neuen Kredit umfassen keine Reformauflagen wie bei bisherigen Formen der Hilfe.

Grüner, aber instabil
Außerdem ist Stegemann der Meinung, dass das Wiederaufbauprogramm auf Kosten von Finanzmitteln läuft, die andernfalls zu einer besseren Nachhaltigkeit der EU hätten beitragen können. "Das Geld hätte für Forschung, Gesundheitsversorgung und nachhaltigen Wiederaufbau verwendet werden können", sagt Stegemann. Zwar bestünde nun die Möglichkeit, Nachhaltigkeit durch gemeinsame Steuern zu fördern – etwa durch eine Plastikabgabe oder CO2-Zölle für importierte Waren. Aber das sei auch der einzige Vorteil, sagt Stegemann: "Das Programm bietet keine Aussicht auf eine stabilere EU." (fp)