Die US-Staatsschulden steigen seit Jahren rapide, und auch dieses Jahr werden die USA wieder ein Haushaltsdefizit von fast acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Das Tempo dürfte sich auch unter der im November zu wählenden neuen Regierung kaum verlangsamen – egal ob die Republikaner unter Donald Trump oder die Demokraten unter Kamala Harris gewinnen.

Wirtschaftsprogramm auf Pump gebaut
Für  die demokratische Kandidatin Kamala Harris hat Jan Viebig, Investmentchef bei Oddo BHF, nun nachgerechnet. Sein Ergebnis: "Die vorgestellten Maßnahmen der Harris-Agenda würden das Haushaltsdefizit der USA – aufaddiert über zehn Jahre – um mindestens 1,7 Billionen US-Dollar nach oben treiben." Hinzu kommen eventuell weitere Wirkungen von Einzelmaßnahmen wie die kürzlich ins Gespräch gebrachte steuerliche Entlastung von Trinkgeldern mit 100 bis 200 Milliarden Dollar auf zehn Jahre.

Die Entlastungen des Tax Cuts and Jobs Acts (TCJA) von Donald Trump, die nach derzeitiger Gesetzeslage Ende 2025 auslaufen würden, will Harris für die Bezieher von Einkommen bis zu 400.000 Dollar pro Jahr erhalten. "Damit setzt Harris im Gegensatz zu Trump, der die Regelungen in Gänze erhalten will, einen klaren verteilungspolitischen Akzent", so Viebig. Als Gegenfinanzierung befürwortet Harris die bereits von der Biden-Administration ins Auge gefasste Anhebung des Unternehmenssteuersatzes, so Viebig. Hier hatte sich Harris vor Kurzem für eine Erhöhung des Steuersatzes von 21 Prozent auf 28 Prozent ausgesprochen. Diese Maßnahme würde nach Berechnungen des Budget-Komitees (CRFB) rund eine Billion Dollar an Mehreinnahmen über einen Zeitraum von zehn Jahren bringen, könnte sich aber nach Viebigs Einschätzung als wachstumsschädlich erweisen.

Gewirr an Vorschlägen und Plänen
Das Gewirr der sich teilweise überlappenden Vorschläge macht es laut Viebig schwer, einen umfassenden Eindruck zu gewinnen. Er sagt: "Relativ konkret erscheinen die Pläne der Agenda und die Absicht, die auslaufenden Steuererleichterungen für Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen zu erhalten." Gegenüber der aktuellen Haushaltssituation käme es zu einem deutlichen Anstieg des Haushaltsdefizits über die kommenden Jahre und einem merklich steileren Anstieg der Verschuldung. Die Pläne zur Erhöhung der Unternehmenssteuer korrigieren diese Entwicklung nur teilweise. Insgesamt richten sich die steuerlichen Maßnahmen zu Mehreinnahmen schwerpunktmäßig auf große Unternehmen und Vermögende.

Der Investmentchef glaubt nicht, dass der Anstieg der Staatsverschuldung, die unter den Präsidenten Donald Trump und Joe Biden auf neue absolute und relative Rekordstände gestiegen ist, unter Harris gebremst wird: "Im Gegenteil, der Pfad könnte nochmals steiler werden, wenn die Konzepte der Agenda umgesetzt würden." In dieser Hinsicht wäre Harris nach Meinung des Anlagechefs im direkten Vergleich zu Trump vermutlich nur "das etwas kleinere von zwei Übeln". (jh)