Die Europäische Kommission will Erdgas und Atomkraftprojekte im Rahmen der EU-Taxonomie als nachhaltig einstufen. Amundi-Chef Jean-Jacques Barbéris zeigt im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) Verständnis für diese Entscheidung: "Der richtige Umgang mit der Atomkraft ist eine komplexe Frage", sagte der ESG-Verantwortliche von Europas größter Fondsgesellschaft mit Sitz in Paris. "Unserer Ansicht nach ist Atomenergie wichtig, weil sich mit ihr der Übergang in eine CO2-ärmere Welt besser gestalten lässt." Sein Fazit lautet daher: "Ja, Atomkraft ist nachhaltig."

Während der Plan gerade aus Deutschland auf massive Kritik und Ablehnung stößt, sind andere EU-Länder – darunter Frankreich – Befürworter. Barbéris sieht diese Unterschiede auch kulturell begründet, immerhin habe die Atomenergie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine wesentliche Rolle in der französischen Souveränität gespielt. Gleichzeitig sei Frankreichs heutige Position auch mit dem Blick auf die Energiepreise in den anderen europäischen Staaten begründet – das Energie-Preisniveau ist dort dank Atomenergie vergleichsweise noch niedrig.

Einflussnahme der Investoren
Wer bei Amundi einen nachhaltigen Fonds kauft, könnte sich damit auch die Aktie eines Atomproduzenten ins Portfolio holen, sagt der Amundi-Vorstand. Es sei denn, Anleger setzen auf einen Fonds, der in Deutschland mit dem FNG-Siegel ausgezeichnet ist. Barbéris betrachtet es auch bei Ölunternehmen durchaus als sinnvoll, sie in nachhaltigen Fonds zu platzieren. "Man sollte nicht vergessen, dass der positive Effekt aufs Klima viel größer ist, wenn Ölkonzerne ihre Emissionen reduzieren, als wenn dies ein Unternehmen tut, das ohnehin nur wenig ausstößt", argumentiert er. 

Der Vermögensprofi sieht im Einfluss von Investoren auf Unternehmen generell einen wesentlichen Hebel auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit: "Ist es nicht wertvoller, eine Firma, die viel emittiert, zu einer Firma zu machen, die weniger emittiert – auch durch den Druck der Investoren?" Das ultimative Ziel müsse sein, das Unternehmen die Herausforderungen des Klimawandels ernstnehmen. (fp)