Die Zinswende könnte für Unternehmen zu einem Problem werden. Denn mit den höheren Leitsätzen steigt auch die Zinslast, die die Firmen für ihre Schulden stemmen müssen. Insbesondere bei Hochzinsanleihen kursiert die Befürchtung, dass viele Papiere zur gleichen Zeit fällig werden und es den Emittenten dadurch schwerer fällt, eine Refinanzierung zu sichern. Tatsächlich steht so eine Fälligkeitsmauer an, berichtet Jan Tachtler, Kapitalmarktanalyst und Co-Fondsmanager beim Multi-Family-Office HQ Trust.

"Obwohl viele Unternehmen die günstigen Konditionen während der Corona-Krise genutzt haben, ist die Fälligkeitsmauer deutlich höher geworden", berichtet Tachtler. "Innerhalb der kommenden vier Jahre müssen immerhin 43 Prozent der Anleihen zurückgezahlt und in aller Regel auch refinanziert werden." Im August 2020 habe diese Quote lediglich bei 30 Prozent gelegen. Tachtler untersuchte die Laufzeiten des Bloomberg Global High Yield Corporate Index.

"Fälligkeitsmauer rückt näher"
"Bis Ende 2028 werden sogar deutlich mehr als die Hälfte der Anleihen im Index fällig", ergänzt der Kapitalmarktexperte. "Wir laufen in eine Refinanzierungswelle hinein, die recht groß ist." Ganz ähnlich sieht das Axel Cabrol, Leiter Anleihen bei der französischen Investmentboutique Tobam. "Angesichts der höheren Zinsen stellt sich die Frage eines Refinanzierungsrisikos", warnt der Portfoliomanager. "Die Fälligkeitsmauer rückt immer näher."

Doch nur die besonders schwachen Namen im Hochzinsfeld würden ein erhöhtes Risiko aufweisen, schränkt Cabrol ein. "Der Großteil des Marktes kann sich die Refinanzierung leisten." Die Bilanzen der Unternehmen seien solide. "Sie haben keine hohen Schulden aufgetürmt", so Cabrol. "Die meisten Branchen weisen eine gesunde Liquiditätsausstattung auf." Selbst im schwächeren Ende des Marktes könne man die Namen herauspicken, die hohe Überlebenschancen aufweisen. "Historisch gesehen ist der Markt so stark ausdifferenziert wie lange nicht mehr", meint der Tobam-Manager.

"Domino-Effekt im Portfolio vermeiden"
HQ-Trust-Mann Tachtler ergänzt, dass die Unternehmen ihre Refinanzierung nicht zwingend über den Anleihenmarkt schultern müssen, sondern auch alternative Finanzierungsformen ausloten können. Der Tobam-Manager hat bereits eine entsprechende Entwicklung beobachtet. "Vor der Zinswende erfolgte ein Großteil der Schuldenaufnahme über Private Debt und Private Loans", berichtet Cabrol. "Die ausfallgefährdeten Schulden türmen sich vor allem in diesem Feld und weniger bei Hochzinsanleihen."

Beide Experten sind sich einig, dass es bei Investments in Hochzinsanleihen auf eine sorgfältige Auswahl ankommt. "Das aktuelle Umfeld kommt Unternehmen zugute, die solidere Bilanzen aufweisen", meint Tachtler. "Es bietet Chancen für aktives Management im High-Yield-Markt, da sich die Spreu vom Weizen trennt." Tobam-Experte Cabrol ergänzt: "Eine Diversifikation ist sehr wichtig." Man müsse die Emittenten auswählen, die sich möglichst sehr unterschiedlich zueinander verhalten. "Damit vermeidet man in Krisenzeiten einen Domino-Effekt im Portfolio", so Cabrol. (ert)