Das Team um DWS-Chefanlagestratege Stefan Kreuzkamp traut den Aktienmärkten auf Sicht von zwölf Monaten eine gute Entwicklung zu. "Dazu müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt werden, ein Selbstläufer ist dies nicht", betont das "Chief Investment Office" des Fondsanbieters in einer Kurzstudie, in der die DWS ihre Marktprognosen angepasst hat.

Kreuzkamp und seine Kollegen berichten von drei Gegensätzen, die eine Einschätzung aktuell erschwerten. So hätten erstens Aktienfonds zwar branchenweit eine rekordhohe Liquidität aufgebaut, die Endkunden würden bislang aber nur langsam Geld aus den Sondervermögen abziehen. Zweitens sei die Stimmung unter den professionellen Anlegern so schlecht wie lange nicht mehr, obwohl viele Anlageklassen bereits im Rekordausmaß korrigiert hätten. "Allein Aktien, Anleihen und Kryptos haben zusammen seit Jahresanfang rund 30 Billionen Dollar an Wert verloren", erinnert Kreuzkamp.

Hoffnung auf mehr Klarheit in einem Jahr
Drittens seien die Quartalsergebnisse vor allem in Europa "teils sehr robust" ausgefallen, einzelne Gewinnprognosen für das Gesamtjahr wurden sogar angehoben. "Gleichzeitig werden Indexziele für Aktien und Wachstumsprognosen heruntergenommen", so Kreuzkamp. Auch die gemeldeten Inflationsraten eilten von Rekord zu Rekord, während die Markterwartung für das längerfristige Inflationsniveau leicht sinke.

Wer prognostizieren wolle, wo die Märkte in zwölf Monaten stehen, müsse sich also die Frage stellen, welche der jetzt dominierenden Themen dann noch relevant sein werden. "Wir gehen davon aus, dass die verschiedenen Hürden die Märkte noch eine Weile in Atem halten werden, die Volatilität somit hoch bleiben wird", meint Kreuzkamp. "Doch wir setzen darauf, dass in zwölf Monaten, wenn dann wiederum auf die darauffolgenden zwölf Monate geschaut wird, es bei einigen Themen weniger Unklarheit geben wird."

Aktuelle Wirtschafts- und Marktprognosen der DWS

* Erwartung für 2022 (ggü. Vorjahr in %); ** Erwartung für 2022 (Verbraucherpreise ggü. Vorjahr in %); Quelle: DWS; Stand: 12.05.2022

Unter dem Strich erwarten die DWS-Strategen "für Aktien bis zu zweistelliges Renditepotenzial und eine Erholung der Unternehmens- und Schwellenländeranleihen". Voraussetzung dafür sei allerdings, dass es in den USA nicht zu einer Rezession komme und ein möglicher Exportstopp russischer Energie Europas Konjunktur dieses Jahr nicht ins Wanken bringe. "Chinas Umgang mit Covid, der Ukraine-Krieg und Lieferengpässe sollten bis dahin hoffentlich an Brisanz verloren haben", meint Kreuzkamp.

Die größte Belastung für die Märkte sei jedoch das Dilemma der Zentralbanken, die trotz wackeliger Konjunktur und nervöser Märkte die Zinsen erhöhen müssen, um die Inflation zu bekämpfen. "Der Fed-Put, also die extreme Marktunterstützung mittels lockerer Geldpolitik, kann in diesem Umfeld nicht gezogen werden", so Kreuzkamp. "Hoffen wir, dass wir ihn ohnehin nicht gebraucht hätten." (bm)