Ratingagenturen, die Nachhaltigkeitsnoten vergeben, verfolgen in der Regel einen Top-Down-Ansatz. Der kann zu widersinnigen Ergebnissen führen, kritisiert Euan Ker, Analyst für nachhaltige Investments bei Aegon Asset Management (Aegon AM). "Ratingagenturen wenden fehlerhafte Methoden an, die starke ESG-Ratings an grundsätzlich nicht nachhaltige Unternehmen vergeben", sagt er. Sie berücksichtigten meist nicht, wie sauber die Produkte oder Dienstleistungen der Unternehmen sind, sondern achteten nur darauf, wie nachhaltig die Firmen selbst wirtschaften.

Ker untermauert seine Kritik mit dem Verweis auf ein hervorragendes ESG-Rating des US-Indexanbieters MSCI für ein Unternehmen, das die meisten nachhaltig orientierten Anleger wohl eher nicht in ihrem Portfolio haben wollen: Imperial Brands, einer der fünf größten Tabakverarbeiter der Welt. Das britische Unternehmen kann sich in Sachen Nachhaltigkeit mit einem A-Rating schmücken. Offenbar wirtschaftet Imperial Brands also gut und ressourcenschonend. Diese reine Betrachtungsweise des Fertigungsprozesses greift aber zu kurz, sagt Ker. "Die Nachhaltigkeit der Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens ist entscheidend für seinen langfristigen strategischen Erfolg."

Zu geringe Marktabdeckung
Anleger sollten ein ESG-Rating nur als eine von mehreren Informationen betrachten, aber nicht als ausschlaggebendes Kriterium für Investmententscheidungen, sagt der Aegon-AM-Experte. Zumal die Ratings ein Art "toten Winkel" haben: Die Anbieter müssen sich auf Angaben aus den Unternehmen selbst verlassen. Das führt dazu, dass sie insbesondere großkapitalisierte Konzerne abdecken. Kleine und mittelgroße Firmen sowie Unternehmen aus den Schwellenländern sind im Universum der ESG-Ratings unterrepräsentiert. "Nachhaltige Marktführer sind jedoch in der Regel gut bekannt und erforscht, was bedeutet, dass die Aussicht auf die Entdeckung von falsch bewerteten Aktien geringer ist", sagt Ker. (fp)