Die Weltwirtschaft steuert nicht auf eine klassische Stagflation zu, stellt Serdar Kucukakin klar, Analyst beim Vermögensverwalter Aegon Asset Management. Viele Experten hatten vor einer solchen Situation gewarnt, in der die Wirtschaft nicht mehr wächst und gleichzeitig hohe Inflation und hohe Arbeitslosigkeit herrschen. Der entscheidende Unterschied, sagt Kucukakin: In Deutschland wie in den USA ist die Arbeitslosigkeit weiterhin sehr niedrig oder sogar rückläufig. Der Experte plädiert deshalb dafür, lieber von einer "Kombination aus sehr niedrigem Wirtschaftswachstum und sehr hoher Inflation" zu sprechen.

"Die Inflation ist zwar ein großes Problem", sagt der Analyst. "Aber die Arbeitslosigkeit bringt Haushalte viel schneller in Bedrängnis." Im Moment bekommen Menschen aufgrund der hohen Nachfrage am Arbeitsmarkt bei einem neuen Job tendenziell sogar mehr Gehalt, was "die negativen Auswirkungen der Inflation etwas abschwächt". Das gibt den Zentralbanken außerdem mehr Handlungsspielraum, argumentiert Kucukakin. "Es scheint, dass die meisten bereit sind, deutlich niedrigere Wirtschaftswachstumsraten zu akzeptieren, um die Inflation einzudämmen."

Die Inflation treibt die Stagflation
Ob die Weltwirtschaft sich auf eine klassische Stagflation zubewegt, lässt sich Aegon AM zufolge mit dem sogenannten "Misery Index" messen, der Inflation und Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft berücksichtigt. Ein deutlicher Anstieg kann als Indikator für Stagflation gesehen werden, erklärt Kucukakin. Im Moment ist der Index in der Eurozone und den USA ähnlich hoch wie zu früheren Krisenzeiten. Allerdings ist der Grund dafür die enorme Inflation, aber wieder nicht die Arbeitslosigkeit. "In dieser Hinsicht hat der aktuelle Anstieg des Misery-Index eine ganz andere Bedeutung als die hohen Arbeitslosenzahlen während der letzten Krise", erklärt der Analyst. (fp)