Die europäischen Märkte waren in den vergangenen Monaten so volatil wie selten. Besonders hochverzinsliche Anleihen von Banken und Versicherungen – sogenannte Finanzanleihen – wurden in einer Art und Weise durchgeschüttelt, die an die Finanzkrise 2008/2009 erinnerte. Doch so dramatisch die Lage damals auch war: Es folgte ein sehr lukrativer Aufschwung. „Volatilität sät Gelegenheit. Durch sorgfältiges Research können attraktive lang- und mittelfristige Anlagemöglichkeiten ausfindig gemacht werden“, sagt Arif Husain, Director of European Fixed Income bei ACM Bernstein.

2002 lag der Anteil hochverzinslicher Finanzanleihen am Barclays Pan-Euro High Yield Index noch bei weniger als drei Prozent. Heute beträgt der Anteil über 20 Prozent. Derzeit kämpfen viele, auch namhafte, europäische Banken und Versicherungen mit ihren Ratings. „Die generelle Unsicherheit im Banken- und Versicherungssektor hat dazu geführt, dass die Bewertungen von Anleihen aus diesem Bereich im Vergleich zu anderen Anleihen bedeutend schlechter ausfallen“, so Husain. Dadurch betrug Ende Juni die Durchschnittsrendite für hochverzinsliche Unternehmensanleihen rund acht Prozent, während hochverzinsliche Finanzanleihen durchschnittlich 13,5 Prozent einbrachten. „Verglichen mit den Besitzern von Senior-Anleihen laufen Investoren in nachrangigen Papieren größere Gefahr, im Falle einer Insolvenz nur sehr wenig von ihrem Geld wiederzusehen – und ihre Zinskupons könnten als erste wertlos werden“, erklärt Husain.

Schlechtes Rating – hohe Renditechancen

Der erste große Wachstumstreiber für den Markt der hochverzinslichen Finanzanleihen war die Finanzkrise 2008/2009, in deren Verlauf viele Anleihen auf Ramschniveau abgewertet wurden und damit als Hochzinspapier galten. Zwischen August 2008 und Mai 2009 stieg die Anzahl der im Index gelisteten Anleihen von 25 auf mehr als 140. Ihre Performance ist seither überaus stark. Seit Ende April 2009 hat der Index um rund 35 Prozent zugelegt. „Derzeit beobachten wir eine zweite Welle neuer hochverzinslicher Finanzanleihen. Unsere Bankenanalysten schätzen, dass die Ratingagentur Moody’s in nächster Zeit weltweit rund 57 Prozent der Tier-1-Papiere (in punkto Ausfallrisiko am wenigsten geschützt, Anm.) im Barclays Capital Global Aggregate Index, 49 Prozent der Upper Tier 2- und 30 Prozent der Lower Tier 2-Anleihen (am besten geschützt, Anm.) abwerten wird. Am stärksten werde dieser Trend in Europa ausgeprägt sein. Aufgrund der Eurokrise und der Tatsache, dass nachgeordnete Finanzanleihen einen größeren Teil des europäischen Index repräsentieren als das beispielsweise in US- oder internationalen Indizes der Fall ist.“

Risiken und Gelegenheiten

Mit Blick auf ihre hohen Renditen sind hochverzinsliche Finanzanleihen im Vergleich zu Unternehmens- oder Staatsanleihen eine äußerst attraktive Investition. Ende Juni boten Senior-Finanzanleihen einen Renditeaufschlag von 2,9 Prozentpunkten gegenüber vergleichbaren Staatsanleihen, bei Investment-Grade-Lower-Tier-2-Finanzanleihen waren es sogar 4,8 Prozentpunkte (gemessen am Barclays Capital Euro-Aggregate Corporate-Index). Im Pan-Euro High-Yield-Index boten die am besten gerateten (Ba/BB) Finanzanleihen einen durchschnittlichen Aufschlag von 7,3 Prozentpunkten.

Wenn es sich bei dem ausgewählten Finanzinstitut oder Versicherer um ein gesundes Unternehmen handelt, bedeutet eine Investition in nachgeordnete Finanzanleihen zwar ein höheres Risiko als bei Senior-Anleihen, dieses wird aber durch die deutlich besseren Renditen kompensiert. „Derzeit sehen wir zahlreiche Beispiele von qualitativ hochwertigen Banken, die nachgeordnete Hochzinsanleihen mit äußerst attraktiven Renditen anbieten. Wichtig ist hier aber – mehr als in irgendeinem anderen Bereich – ein sorgfältiges Research, um bei den Anbietern die Spreu vom Weizen zu trennen. Zudem ist es unerlässlich, auch die spezifischen nationalen Risiken in die Anbieterbewertung einzubeziehen“, ergänzt Husain. Dies gilt insbesondere für Finanzanleihen, da diese enger mit der Performance der jeweiligen Staatsanleihen verknüpft sind als beispielsweise Unternehmensanleihen. Rund die Hälfte der Finanzanleihen kommt heute aus den Euro-Krisenländern Spanien, Portugal und Irland – hier ist genaues Hinsehen und Vorsicht geboten.

„Trotz der Risiken glauben wir aber, dass es sich bei europäischen hochverzinslichen Finanzanleihen auf lange Sicht um ein Investment handelt, dass von Anlegern genauer unter die Lupe genommen werden sollte. Der Markt ist gewachsen, und wenn sich die aktuelle Volatilität wieder legt, wird sich unserer Ansicht nach auch die Bewertungslage wieder entspannen“, schließt Husain. (dw)