Indiens Wirtschaft dürfte 2015 erstmals stärken wachsen als die chinesische, prognostiziert der Fondsanbieter Aberdeen. Darauf deuteten aktuelle Konjunkturindikatoren hin. Bei der Untersuchung einiger Fundamentaldaten beider Länder werde deutlich, dass die Aussichten für Indien derzeit besser seien als für den "ostasiatischen Titan". Beide Volkswirtschaften befänden sich seit Jahren auf einem beispiellosen Höhenflug: "Bis 2025 dürfte China die weltgrößte Volkswirtschaft sein und die USA überholt haben, während Indien an Japan vorbeizieht und global an dritter Stelle rangieren wird", so die Aberdeen-Experten.

Übertriebene Infrastrukturinvestitionen in China
Indes stehe China vor großen Herausforderungen. So habe das Land bei kapitalintensiven Projekten wie Infrastruktur und Immobilien bislang eine immense Stärke bewiesen. Dies habe allerdings zu einer Art "Overdrive" geführt. Mittlerweile entfalle mindestens die Hälfte der chinesischen Staatsschulden auf den Immobiliensektor, der derart hohe Investitionen nicht mehr benötige. Der nationale Wohnimmobilienmarkt sei gesättigt.

Auch andere Sektoren wie die Automobilbranche litten unter einem Nachfragerückgang. Ein Schlüsselproblem Chinas bleibe der Zentralisierungsgrad der staatlichen Macht. Immerhin, so konstatiert Steve Drew, Leiter des Emerging Market Credit Teams von Henderson Global Investors, beinhalte der neue Fünf-Jahres-Plan mit einem veranschlagten Wirtschaftswachstum von jährlich 6,5 Prozent eine realistischere Vorgabe als das zuvor gültige Sieben-Prozent-Ziel.

Auftrieb für Indien
In Indien dagegen ziehe das schwache Wirtschaftswachstum seit dem Amtsantritt von Premierminister Narendra Modi richtig an – wenngleich Investoren sich fragten, ob dies von Dauer sein wird. Auch Indien habe laut Aberdeen eine lange To-Liste-Liste. Wie viel davon umgesetrzt werden kann hänge davon ab, wie Indien eines seiner strukturellen Hauptprobleme löst, nämlich die Schwäche als Produktionsstandort.

Eine aktuelle Umfrage der Unternehmensberater von EY bei 500 internationalen Spitzenmanagern deutet allerdings an, dass Indien seinen Malus hier in Bälde überwinden und zu einem global begehrten Ziel für Direktinvestitionen werden kann. EY-Daten zufolge lag Indien mit Direktinvestitionen in Höhe von 30,8 Milliarden Dollar schon im ersten Halbjahr global an erster Stelle.

Bevölkerungswachstum und –struktur erfolgsentscheidend
Demografie und Demokratie seien Schlüsselelemente sowohl für Indiens Erfolg als auch für Chinas Stagnation in den kommenden Jahren, erklärt der Fondsanbieter Aberdeen. Chinas Arbeitsbevölkerung nehme 2015 im dritten Jahr in Folge ab, während in Indien die demografische Entwicklung noch sehr günstig verlaufe. Des Weiteren sei das aktuelle makroökonomische Szenario für indische Unternehmen von großem Vorteil. Die Wettbewerbsfreiheit, das kräftige Bevölkerungswachstum, die Infrastrukturinvestitionen und die politischen Reformen seien Faktoren, die Indien in den kommenden Jahren starken Auftrieb verleihen würden, der bereits heute zu beobachten sei. (fp)