Am kommenden Sonntag wird Indiens Premierminister Narendra Modi gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hannover Messe 2015 eröffnen. Dabei dürfte für ihn ein wichtiges Thema auf der Agenda stehen, kommentiert Adrian Lim, Senior Investment Manager bei Aberdeen Asset Management: Die Umsetzung der angekündigten Reformen. Diese umfassen unter anderem umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur des Landes, aber auch den Abbau bürokratischer Hindernisse. So soll unter anderem der Genehmigungsprozess für Auslandsinvestitionen beschleunigt werden. Der im Februar vorgelegte indische Haushalt ist ein deutlicher Verweis auf Modis Reformwillen, ist Lim überzeugt. "Wichtige Punkte sind zum Beispiel die Anhebung des Budgets für Infrastruktur um 25 Prozent – 39 Milliarden US Dollar werden für Straßenbau, Eisenbahnlinien, Brücken und Häfen bereitgestellt – und die Absenkung der Körperschaftssteuer von 30 Prozent auf 25 Prozent in den kommenden vier Jahren."

Zwar habe Modi eine Ausweitung des Haushaltsdefizits für 2015/2016 von ursprünglich 3,6 auf 3,9 Prozent ankündigen müssen. Die Regierung erwarte aber positive Effekte durch Steuereinnahmen und Veräußerungen. Hilfreich sei auch der niedrige Ölpreis, der es der Regierung erlaube, die teuren Treibstoffsubventionen abzuschaffen. Gestützt würden Modis Reformpläne nicht zuletzt durch das sich gut entwickelnde Wirtschaftswachstum insgesamt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gab jüngst bekannt, dass sie für Indien im laufenden Jahr eine Steigerung um 7,7 Prozent und im kommenden Jahr sogar um acht Prozent erwartet. Damit würde Indien stärker wachsen als China, das laut OECD in den Jahren 2015 und 2016 je rund sieben Prozent zulegen wird.

Aktienbewertungen sind gestiegen
Es sind auch kritische Stimmen zu hören, Modi würde seine angekündigten Reformen nicht schnell und drastisch genug umsetzen. "Viele Kritiker übersehen dabei zum einen, dass die Erholung in Indien vor dem Hintergrund der strukturellen und bürokratischen Herausforderungen Zeit brauchen wird", so der Aberdeen-Experte. "Zum anderen hat die Regierungspartei BJP weniger Freiheiten, als viele glauben." Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen in Delhi müsse die Partei nun die lokalen Behörden auf ihre Seite bringen und verhindern, dass regionalen Interessen folgende Politiker die Reformagenda vereiteln. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, dass die BJP keine Mehrheit im Oberhaus hinter sich hat, dieses aber große Teile des Haushalts genehmigen muss.

Am indischen Aktienmarkt haben sich die Bewertungen erhöht. Gleichzeitig gebe es auf Unternehmensebene ermutigende Maßnahmen, die Gewinnmargen und die Rentabilität mittels Kostensenkungen zu steigern, berichtet Lim. Das Gewinnwachstum der Unternehmen sollte durch die Reformen unterstützt werden und somit weitere Kurssteigerungen ermöglichen. "Dies ist ein gutes Umfeld, um in Indien zu investieren – als überzeugte Stockpicker und Bottom-up Analysten zählt für uns jedoch insbesondere, wie die einzelnen Unternehmen aufgestellt sind", sagt Hugh Young, Head of Asian Equities bei Aberdeen. "Wir haben zwar Gewinne mitgenommen, angesichts der Qualität der Unternehmen behalten wir unsere Übergewichtung in diesem Markt jedoch bei."

Auto- und Konsumtitel profitieren
Unter anderem sollten Zement-Hersteller, wie Grasim Industries, Ultratech sowie die Tochtergesellschaften von Holcim Ambuja und ACC von den Ausgaben für staatliche Bauvorhaben im Rahmen der Infrastruktur-Reformen profitieren. Zudem dürften die geplanten sozialen Vorhaben für die ärmsten Bevölkerungsschichten und der Fokus auf einer Umkehr der abnehmenden Löhne im landwirtschaftlichen Sektor positive Auswirkungen auf die Konsumentwicklung haben. Davon würden Auto- und Konsumtitel, wie Hero MotoCorp beziehungsweise Nestlé, Hindustan Unilever und Godrej Consumer Products, profitieren. (fp)