FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2025

Ein Grund für die vielen Unklarheiten: Unternehmen können sich bisher nicht mit einer Behörde abstimmen. Als Aufse- herin wurde das Sozialministeriumservice (SMS) ernannt, wobei für die BaFG-Über- wachung exklusiv deren Landesstelle Ober- österreich zuständig ist. Ein Betro ener kennt dort gerade zwei zuständige Köpfe. „Veranstaltungen oder Informationen, wie sie Aufseher oft anbieten? Fehlanzeige!“, meint ein anderer. Aus der Behörde heißt es, „in Zukunft“soll es Informationen sowie Leitlinien für Kleinstunternehmer geben. Man werde „beraten vor strafen“. Über die Mannschaftsgröße erfährt man nichts. Sanktionen Bei BaFG-Verstößen kann das SMS Stra- fen von bis zu 80.000 Euro verhängen. Ein Einspruch kann aufwendig werden. Im Unterschied zu anderen Vorschriften wie dem Behindertengleichstellungsgesetz liege beim BaFG die Beweislast beim Unter- nehmen, erklärt Werner Rosenberger, Pro- jektmanager beim österreichischen Web- Barrierefreiheits-Zerti kat (WACA). Einen Bescheid der Marktüberwachungsbehörde könne man nur vor dem Bundesverwal- tungsgericht anfechten. Man müsse aner- kennen, dass „100 Prozent Barrierefreiheit“ nie möglich seien, so Rosenberger. Die lau- fende Adaptierung sei allein wegen der raschen Veränderungen im Web heraus- fordernd. Allerdings hätten viele Unterneh- men, auch große Banken, schon früher deutlich mehr machen können, so Rosen- berger. Standards wie die WCAG-Regeln (siehe Kasten) gebe es seit 20 Jahren. Trotz- dem sei das Onlinebanking teils immer noch „sehr schlecht“angepasst, von anderen Finanzdienstleistungen ganz zu schweigen. Eine volle BaFG-Umsetzung bis 28. Juni werde kaum ein Institut hinbekommen. Sprecher von RCM/RBI, Bank Austria oder Erste Bank entgegnen, sie würden bis dahin gesetzeskonform sein, und führen umfangreiche Projekte an. Bis hin zur Erste Asset Management, wo Digital-Channel- ManagerinMarionMondl demThema ihre Masterarbeit gewidmet hat. Nicht leicht ist es jedoch, manchen Anbietern Konkretes zu entlocken – etwa ob Kurscharts im Fonds-Factsheet auslesbar sein werden. Sol- che Dokumente werden meist als PDF an- geboten. Das Problem: Während Websites meist so programmiert sind, dass barriere- freie Komponenten unkompliziert einge- bettet werden können, ist bei PDFs die Um- gestaltung schwierig. Es sei kein Programm bekannt, das PDFs massentauglich barrie- refrei auswirft, ohne händisch nacharbeiten zu müssen, bestätigt ein Experte der Erste Bank. Er ho t auch auf Verbesserungen bei KI für Gebärdensprache: Gute deutschspra- chige Angebote gebe es bisher kaum. Die Erste werde PDF-Kontoauszüge noch heuer anbieten; bei Onlinebanking,Website und Apps sei man ohnehin weit fortgeschritten. Michael Stenitzer, Chef des auf Barriere- freiheit spezialisierten Webentwicklers und Beraters Wien uss, rät,Webprogrammierer sorgsam auszuwählen. „Es gibt Software- entwickler, denen die Optik wichtig ist, die aber eine gewisse Verachtung für Systema- tik und Struktur des Webs haben. Eine Überschrift soll nicht nur so aussehen, son- dern auch als solche de niert sein. Darauf kann man aufbauen“, so Stenitzer. Eine Website laufend barrierefrei zu halten, sollte heute keine Herausforderung mehr sein. „Viele Agenturen setzen Barrierefreiheit längst automatisch um. Die anderen müs- sen es schnell lernen“, sagt auch Experte Rosenberger. Er rät, das Thema wirtschaft- lich zu betrachten. „Es gibt Firmen, die sehen es als Business Case. Man kann damit die E-Commerce-Zahlen deutlich steigern“, so Rosenberger. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Man kann damit die E-Commerce-Zahlen deutlich steigern. « Werner Rosenberger, WACA Barrierefreiheitsgesetz – die Eckpunkte Am 28. Juni 2025 tritt das österrei- chische Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Kraft. Es bezieht sich auf Digitalservices. Das BaFG setzt die EAA-Richtlinie um (European Acessibility Act, „Barrie- refreiheitsrichtlinie“ (EU) 2019/882) . Die EAA verpflichtet EU-Mitgliedsstaaten, Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher barrierefrei zu gestalten. Marktüberwachungs- und Strafbehör- de für das BaFG ist das Sozialministerium- service. Dieses scheint auf die Aufgabe noch nicht ausreichend vorbereitet. Verstöße gegen das BaFG werden mit bis zu 80.000 Euro bestraft. Übergangsfristen: bis 27. Juni 2030 für Leistungen, die vor 28. Juni 2025 vereinbart wurden. Unsicherheit, was genau darunter fällt. Unternehmen mit weniger als zehn Mit- arbeitern und weniger als zwei Millio- nen Euro Umsatz sind ausgenommen. Die EAA greift die Standards der Web Content Accessibility Guidelines ( WCAG ) auf. Diese gelten als internationale Richtschnur für ein bar- rierefreies Internet. Demnach sollte eine Website nach vier Grundsätzen barrierefrei gestaltet sein: perceivable (wahrnehmbar), operable (bedienbar), understandable (verständlich) und robust. Für Bank-/Finanzdienstleistungen gilt im BaFG ausdrücklich die Pflicht, Informa- tionen in leichter Sprache („Niveau B2“) anzu- bieten. fondsprofessionell.at 1/2025 253 SYMBOL: © ANTTO | STOCK.ADOBE.COM

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