FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2025
pel aufdrückt. Deshalb wird die Rolle des Beraters auch nie verschwinden. Sie wird sich verändern, auch die Anforderungen der Kunden werden sich verändern, aber KI-Systeme werden kreative menschliche Finanzberater nicht verdrängen. Wie können sich Finanzberater auf die Risiken und Chancen von morgen denn heute schon vorbereiten? Die meisten Leute fühlen sich immer noch unwohl, wenn ein Computer Ratschläge zu wichtigen Themen gibt. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.Deshalb ist es für Finanzberater gut, eine Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen, die auf ihrer Position als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine basiert. Der Berater weiß, was sein Kunde möchte. Und er weiß, wie er das Wissen seines Computers so anpas- sen kann, dass das Ergebnis dem Wunsch des Anlegers möglichst nahe kommt. Wenn er ihm erklärt, dass er seine KI sehr gut kennt, aber jede ihrer Empfehlungen selbst noch einmal überprüft, dann ist das eine ideale Kombination.Wenn ein Finanz- berater weiß, wie er diese Verbindung her- stellen kann, dann ist sein Job safe. Wechseln wir zumSchluss das Thema. Sie sind einer der schärfsten Kritiker des rus- sischen PräsidentenWladimir Putin. Lange vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine haben Sie immer wieder offen vor ihm gewarnt. Wie blicken Sie heute auf den Krieg? Wie könnte er beendet werden? Es ist eine Tragödie, dass die Kämpfe nun schon seit drei Jahren andauern.Man sollte aber nicht vergessen, dass der Krieg eigent- lich bereits vor elf Jahren mit der Anne- xion der Krim begonnen hat. Es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass die europäischen Grenzen verletzt wurden, aber der Westen war bisher leider nicht bereit, angemessen darauf zu antworten. Der Diktator Putin hat den Krieg begonnen mit dem Ziel, die Ukraine als Staat zu zerstören. Er leugnet, dass die Ukraine ein eigener Staat ist, seiner Auffassung nach gehört sie zu Russland. Nicht ich behaupte, dass Putin es so sieht. Er selbst und seine Propagandisten haben es so erklärt. Man kann den Krieg daher nicht beenden, wenn man das Regime von Wladimir Putin nicht beseitigt. Sie können einen vorübergehenden Waffenstillstand erreichen. Sie können die Kämpfe für eine kurze Zeit unterbrechen, aber dann wird Putin weitermachen. Er führt nicht nur Krieg gegen die Ukraine. Er führt Krieg gegen die Nato und gegen den freien Wes- ten. Auch das hat er selbst gesagt. Putin ver- sucht mit Gewalt, die Zeit zurückzudrehen in die Jahre des Kalten Krieges, als große Mächte über kleinere entscheiden konnten. Er nimmt Rache dafür, dass Russland an Bedeutung verloren hat. Und Putin ist nicht allein, er hat Verbündete.Der Iran hat ihn unterstützt, Nordkorea und China haben das auch getan. Das heißt, ohne weitere Waffenlieferungen wird sich der Krieg nicht beenden lassen? Nein, die USA und Europa müssten ganz entschlossen handeln und der Ukraine aus- reichend Waffen zur Verfügung stellen. Diese Waffen gibt es, sei es in den USA oder in Deutschland. Wenn wir sie der Ukraine nicht liefern, bedeutet das noch mehr Leid, noch mehr Tod. Wer glaubt, man könnte verhandeln und dann wieder zur Tagesordnung übergehen, ist entweder dumm oder korrupt oder beides. Vielen Dank für das Gespräch. ANDREA MARTENS FP KURZ-VITA: Garri Kasparow Garri Kasparow wurde 1963 in Baku in der ehemaligen Sow- jetunion geboren. Als er fünf Jahre alt war, begann sein Vater, ihm das Schachspielen beizubringen. Kasparow professiona- lisierte sein Spiel an Michail Botwinniks Schachschule und wurde 1985 mit 22 Jahren der jüngste Weltmeister der Schachgeschichte. Außerhalb des Schachs wurde er durch sein politisches Engagement bekannt. Der Putin-Kritiker lebt seit 2013 in New York. Kasparow hat seine Karriere als Schachprofi 2005 beendet, ist aber in der Szene noch aktiv. » Wer nur einem Muster folgt und keinerlei Kreativität an den Tag legt, hat einen Zombie-Job. « Garri Kasparow, KI-Experte FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH fondsprofessionell.at 1/2025 189
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