FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2025

Zukunft mit oder ohne KI arbeiten wer- den. Es kommt darauf an, wie wir mit den Systemen arbeiten. Man muss sich immer fragen, wie weit man gehen kann. Zu wie viel Prozent wollen wir das spezi sche Wissen einer KI nutzen? Wie viel Anteil soll unsere menschliche Intuition an der Erzielung eines Ergebnisses haben? Selbst wenn der Computer mit seinem Können 90 Prozent dazu beiträgt, bleibt für seinen menschlichen Partner immer noch Spiel- raum. Aber nur von zehn Prozent. Sogar weniger, denn ein hundertprozenti- ges Ergebnis wäre Perfektion, so etwas gibt es im Universum nicht. Dennoch: Es geht um die richtige Zusammenarbeit, darum, wie wir am effektivsten die beste Lösung für ein spezi sches Problems nden. Pro- bleme und Maschinen sind unterschied- lich. Ich würde nicht sagen, dass ein KI-Sys- tem eine eigene Persönlichkeit hat, aber man muss seine Maschine schon sehr gut kennen. Je besser wir ein spezi sches Pro- blem verstehen und je genauer wir unsere KI kennen, desto größer ist die Chance, dass wir genau den Beitrag identi zieren, den wir als Mensch leisten müssen, damit die KI die gestellte Aufgabe so effektiv wie nur möglich lösen kann. In der Finanzberatung hat sich KI ebenfalls schon einen Platz erobert. Viele jüngere Anleger haben kein Problem damit, dass eine künstliche Intelligenz ihr Portfolio steuert. Daher gibt es in der Branche die Befürchtung, KI könne Arbeitsplätze ver- nichten. Besteht dieses Risiko tatsächlich? Falls ja: Welche Jobs wären gefährdet? Die mittelmäßigen, denn KI ist eine töd- liche Bedrohung für durchschnittliche Qualität.Wer lediglich einem traditionellen Muster folgt und keinerlei Kreativität an den Tag legt, hat einen Zombie-Job. Er ist beru ich schon tot, er weiß es bloß noch nicht. Finanzberater, die etwas Einzigartiges zu bieten haben, brauchen KI hingegen nicht zu fürchten. Sie wird keine Win-win- Situation für alle schaffen, aber sie wird einen großen Gewinn für talentierte, krea- tive Köpfe bringen. Denn KI zwingt uns dazu, neue, vielleicht auch mal riskante Ideen zu entwickeln. Das können nur wir Menschen, Maschinen sind nicht kreativ. In einem Vortrag haben Sie einmal gesagt, wenn menschliche Intelligenz und KI vernünftig zusammenarbeiten, könnten Menschen Erfolge erzielen, die sie sonst nicht erreichen würden. Gilt das auch für die Anlageberatung? Natürlich, denn auch in der Anlagebe- ratung bedeutet der Begriff „intelligente Maschinen“, dass die Systeme ihre Nutzer intelligenter werden lassen. Auch Berater können ihr KI-System die Routinearbeit machen lassen, während sie selbst neue Ide- en oder Geschäftsmodelle entwickeln. Das ist leichter gesagt als getan, aber das ist der Weg, auf dem wir voranschreiten werden. In der Finanzberatung spielen zwischen- menschliche Beziehungen eine enorm wichtige Rolle. So zeigt etwa eine Studie der Universität Gießen, dass die Abschluss- quote umso höher liegt, je ähnlicher sich Kunde und Berater sind.Werden KI-Berater ihremenschlichen Kollegen also überhaupt jemals ganz ersetzen können? Nein. Sehen Sie, im Schach wissen wir, dass die Apps in unseren Computern besser spielen als Magnus Carlsen. Aber wir schauen uns seine Turniere trotzdem an, denn es geht nicht nur um Erfolg und Misserfolg, es geht auch um die mensch- liche Seite. In der Finanzberatung geht es auch nicht nur um die größtmögliche Rendite, sondern genauso um Beziehungs- management. Selbst wenn eine Maschine Empfehlungen gibt, brauchen die meisten Kunden immer noch einen Berater, der dem Ganzen seinen menschlichen Stem- » Finanzberater sollten sich als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine verstehen. « Garri Kasparow, KI-Experte FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH VERTRIEB & PRAXIS Garri Kasparow | KI-Experte 188 fondsprofessionell.at 1/2025

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