FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2025

Kammer flimmern Erneut sackte die Beteiligung an den Wirtschaftskammerwahlen ab. Erneut gab es strittige Vorgänge. Erneut wird die Wahl ange- fochten. Schade sind die Umstände für die engagierten Funktionäre. H art wie nie zuvor hat die Wirtschafts- kammerwahl 2025 die Legitimations- frage herausgefordert.Nur 26,5 Prozent der Berechtigten haben einen Stimmzettel ab- gegeben.Das ist einMinus von 7,2 Prozent- punkten zur Wahl 2020.Wird nichts unter- nommen, ist nächstes Mal der Rückgang zweistellig. Denn die Zeitreihe legt nahe, dass sich das Desinteresse von Mal zu Mal beschleunigt: 2010 gingen über 41 Prozent zur Wahl. 2015 dann ein vergleichsweise leichter Abrutscher auf 38,9 Prozent. 2020 rasselte die Beteiligung um gut fünf Prozent auf 33,7 Prozent hinunter. Nun also 26,5 Prozent.Man fragt sich: Wann ist die Recht- fertigungsschwelle erreicht? Aus Sicht der Wirtschaftskammer Öster- reich (WKO) o enbar noch länger nicht. Denn geht es nach der Antwort eines Spre- chers, ist weniger sogar mehr: „In Zeiten, wo Wahlen oft zu Protestwahlen umfunk- tioniert werden, könnte eine geringe Wahl- beteiligung auch ein Zeichen dafür sein, dass viele Mitglieder mit der Interessenver- tretung zufrieden sind und keinen Anlass für eine Protestwahl sehen“, heißt es gegen- über der Redaktion. Wer indes mit Wahl- berechtigten spricht, wird mit dieser opti- mistischen Einschätzung selten konfron- tiert. Eher hört man von Resignation. Zum Beispiel wegen des intransparenten Wahl- und Postenbesetzungssystems. Direkt wäh- len die Unternehmer nur ihre regionalen Vertreter: So bestimmen die Wiener Versi- cherungsmakler, wer die elf Mandate in der Wiener Versicherungsmaklerfachgrup- pe bekommt.Daraus werden in einem von außen kaum einsehbaren Verfahren die „oberen“Organe besetzt: die bundesweiten Fachverbände, die darüber stehenden sie- ben Sparten, die Wirtschaftsparlamente. Zu den undurchsichtigen Verfahrensschritten gehören sogenannte Zurechnungen: Hat eine Wahlgruppe Urwahl-Mandate, die sie nicht für einen bestimmten Posten braucht, kann sie diese an andere Parteien in anderen Fachbereichen in einem anderen Bundes- land weitergeben. Das ist zwar zulässig, aber Abmachungen hinter den Kulissen entsprechen nicht dem zeitgenössischen Demokratieemp nden. Zumal immer nur schwer erkennbar ist, was bei solchen Deals die Gegenleistung ist. Einfluss von Kleinen gering Dazu kommt, dass es kleinere oder neue Wahlgruppen, die etwas bewegen wollen, schwer haben. „Als Demokrat stört mich, dass das Wirtschaftskammerwahlsystem große Gruppen bevorzugt“, sagt Rudolf Mittendorfer, Initiator des unabhängigen Wirtschaftsforums (UWF). Da geht es zum Beispiel um dominante Gemeinschafts- listen, die der schwarze Wirtschaftsbund (ÖWB) und der rote Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) in vielen Fällen bilden. Eine solche gibt es etwa bei den Wiener Finanzdienstleistern, Versicherungs- » Mich stört, dass das Wirtschaftskammer- wahlsystem große Gruppen bevorzugt. « Rudolf Mittendorfer, UWF Ein Kreuz für die Kammer haben 2025 nur wenige gemacht. Es herrscht Resignation. Die Organisation wiegelt Forderungen nach Änderun- gen ab. Ihre Vorzüge versteckt sie in undurchsichtigen Strukturen. VERTRIEB & PRAXIS WKO-Wahl 2025 184 fondsprofessionell.at 1/2025 FOTO: © TORSTEN BECKER | STOCK.ADOBE.COM

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