FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2024

Auch die hohen US-Staatsausgaben treiben die Inflation. Können die Vereinigten Staa- ten weiter so auf Pump leben? Die US-Fiskalpolitik ist ziemlich verrückt. Amerikas Wirtschaft boomt und das Haus- haltsdefizit von rund sechs Prozent im Ver- hältnis zur Wirtschaftsleistung steigt sogar noch. Außerdem sprechen beide Präsident- schaftskandidaten von weiteren Steuersen- kungen. Steuern senken und die Ausgaben erhöhen bringt im Wahlkampf Stimmen. Mehr Geld auszugeben, als man hat, funk- tioniert aber nur bis zu einem gewissen Grad.Denken Sie an Großbritannien unter Premierministerin Liz Truss, als der Anlei- henmarkt der britischen Finanzpolitik das Vertrauen aufkündigte und die Anleihen- kurse kurz ins Bodenlose stürzten. Das kann sich auch in anderen Märkten wiederholen. Allerdings sind die USA von diesem Punkt noch weit entfernt. Wann würden Sie die Alarmglocken läu- ten? Eine fehlgeschlagene US-Staatsanleihenauk- tion oder eine weitere Ratingherabstufung der US-Kreditwürdigkeit könnten als Kata- lysator wirken. Anleger werden aber gene- rell eine höhere Laufzeitprämie für den Besitz von längerfristigen Anlagen fordern. Eine steilere Renditekurve und hohe Lang- fristzinsen halte ich für sehr wahrscheinlich. Was ist mit Europa? Europa ist in einer sonderbaren Situation. Früher waren schwaches Wachstum und politische Unsicherheit immer ein Pro- blem der Peripherie. Das hat sich geändert. Die italienische Politik unter Giorgia Melo- ni hat beispielsweise positiv überrascht. Ins- gesamt wächst der Süden der EU stärker als der Norden, und auch die politischen Risiken sind im Norden größer. Wir machen uns etwa große Sorgen um Frank- reich: Eine Wahl von Marine Le Pen wäre viel gefährlicher für das europäische Projekt als die Wahl Melonis in Italien. Von den jüngsten Krisen wie Corona oder dem Ukraineschock haben sich die Märkte sehr rasch erholt. Nun könnte sogar die Rezession ausfallen. Gehören systemische Krisen der Vergangenheit an? Gerade auf die Pandemie reagierte die Poli- tik sehr entschlossen. Die Erholung der Märkte war zu einem großen Teil das Ergebnis dieser raschen Reaktion sowie der Herdenimmunität und der Impfungen. Es überrascht nicht, dass sich die Finanzmärk- te mit der Wirtschaftstätigkeit so rasch erholt haben. Das ist anders, wenn es zu einer umfassenden Vermögensvernichtung kommt. Nach der US-Subprimekrise von 2008 dauerte es mehrere Jahre, bis sich die » Eine Wahl von Marine Le Pen wäre viel gefährlicher für Europa als die Wahl Melonis in Italien. « Mark Dowding, RBC Bluebay AM g FOTO: © TOM BIRTCHNELL fondsprofessionell.at 2/2024 89

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