FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2024
D er Strom von Wirtschaftsnachrichten reißt nicht nur nie ab, sondern wird dank immer neuer Nachrichtenkanäle laufend stärker. Noch nie in der Geschichte der Menschheit war man so „gut“ informiert wie heute. Parallel zu den nack- ten Daten verfügt man auch über eine nie gese- hene Zahl von Kommentatoren, die diese Infor- mationen – meist ungefragt – kommentieren und interpretieren.Und das passiert längst nicht mehr nur im Wirtschaftsteil der Zeitungen, sondern rund um die Uhr auf X, Youtube und über ande- re soziale Medien.Müssten daher heutige Anleger nicht viel erfolg- reicher sein als früher? Die Antwort lautet leider nein, denn auch das noch so exakte Wissen über die Entwicklung einer Volkswirt- schaft liefert so gut wie keinerlei Aufschluss darüber, wie sich ihr Aktienmarkt entwickeln wird. Insgesamt ist ein solches Fachwissen für Aktien- und Aktienfondskäufer vielleicht interessant, aber für den Anlageerfolg weitestgehend nutzlos.Der Autor und Investment- experte Gerd Kommer hat in seinem Internet-Blog gerd-kommer.de die Zusammenhänge oder, besser gesagt, die Nichtzusammenhänge zwischen Konjunkturdaten und Kapitalmarkt prägnant zusammen- gefasst. Er listet die intuitiven Annahmen in diesem Zusammen- hang auf und widerlegt sie Stück für Stück.Wer würde etwa nicht glauben, dass hohes Wirtschaftswachstum zu guten Aktienmarkt- renditen führt? Tatsache ist aber, dass es hier statistisch betrachtet kei- ne Abhängigkeit gibt. Kommer verweist auf Forschungsarbeiten aus den Jahren 2010 und 2012 und schreibt: „Die Korrelation zwischen nationalem Wirtschaftswachstum in einem Jahr und nationalen Aktienmarktrenditen im gleichen Jahr oder im Jahr davor oder da- nach ist null. Länder mit überdurchschnittlichemWirtschaftswachs- tum können über 30 Jahre niedrigere Aktienmarktrenditen haben als Länder mit unterdurchschnittlichem Wachs- tum.“Ein weiteres Thema, das jeden Finanzmarkt- interessierten beschäftigt, ist die ausufernde Staats- verschuldung vieler Länder. Hier wird häufig un- terstellt, dass sie für die Börse tendenziell schlecht sei. Und auch hier liegt man daneben. Kommer verweist darauf, dass eine Gegenüberstellung von Staatsverschuldung und Aktienmarktrenditen der 47 Industrie- und Schwellenländer gemäß MSCI- Definition keinerlei Korrelation ergab – weder kurz- noch langfristig. Auch Fans der deutschen „Schuldenbremse“, die sich davon einen positiven Einfluss auf den Dax erhoffen, enttäuscht der Fachmann: Argentinien sah zwischen 1988 und 2022 je nach Zählweise drei beziehungsweise vier Staats- bankrotte, die Rendite des Aktienmarktes lag im selben Zeitraum bei plus 12,4 Prozent jährlich, deutsche Anleger mussten sich paral- lel dazu mit 7,4 Prozent per annum begnügen. Verkürzt kann man sagen, dass eine Orientierung an wirtschaftlichen Rahmendaten wie Inflation, Zinsen und sogar Unternehmensgewinnen wenig bis gar nichts bringt. Was soll man aber stattdessen tun? Kommer rät: Beschäftigen Sie sich mit Investmenttheoriethemen wie „Was ist das Kontrahentenrisiko?“und „Das Konzept der Duration bei Anleihen“ und mit Kapitalmarktgeschichte.Wir werden Sie natürlich trotzdem weiterhin auch über die Wirtschaftsentwicklung auf dem Laufen- den halten. FP Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Wirtschaftsnachrichten? Ignorieren! Die Orientierung an Wirtschaftsdaten wie Inflation, Zinsen und sogar Unternehmens- gewinnen bringt wenig bis gar nichts. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.at 2/2024 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN
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