FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2024
Doch nach der Verkürzung der Abwick- lungszeit in Amerika sei es vielen europäi- schen Asset Managern kaum mehr mög- lich, ihre Fremdwährungsgeschäfte bis zur täglichen Annahmefrist der CLS-Bank ein- zureichen, warnt nun die Efama. Der Bran- chenverband rechnet vor, dass gut 40 Pro- zent der Devisengeschäfte der Fondsma- nager nicht mehr über das Institut abge- wickelt werden könnten und dementspre- chend einem höheren Gegenparteirisiko unterliegen. Dies entspreche einem Volu- men von 50 bis 70 Milliarden Dollar an normalen Tagen. An hektischen Handels- tagen könne es gut das Doppelte sein. Für so manchen Asset Manager bedeutet der Wechsel zum T+1-Schema, dass er Nachtschichten einrichten muss, um den Handel mit US-Aktien aufrechterhalten zu können. Der amerikanische Aktienmarkt nimmt eine große Bedeutung für die euro- päischen Fonds ein. 42 Prozent ihres Volu- mens entfallen auf US-Titel, rechnet der Verband vor. Daneben müssen die Asset Manager womöglich auf andere Siche- rungsmechanismen als die CLS-Bank zu- rückgreifen oder mehr US-Dollar vorhal- ten, um ihre Geschäfte in den USA direkt abwickeln zu können. Was auch immer die Portfoliomanager unternehmen, der Branchenlobby zufolge kommen höhere Kosten auf die Manager zu, die letztendlich die Renditen der Investoren schmälern. Zudem kann der Fristwechsel den Wan- del in der Branche forcieren. „Größere Ver- mögensverwaltungsfirmen sind im Vorteil“, meint Susan Yavari, Politikberaterin der Efama. „Ihre Größe erlaubt es ihnen, die notwendigen Investitionen in neue Syste- me zu tätigen, während kleinere Firmen möglicherweise nicht in der Lage sind, die Kosten zu stemmen.“T+1 würde zum Kon- solidierungstreiber. Ungeahnte Nebenwirkungen Um die Auswirkungen auf die Branche zu mindern, fordert die Lobby Maßnah- men wie eine Ausweitung der Annahme- zeiten bei der CLS-Bank. Ein anderer Weg wäre, dass sich Europa den USA anschließt und ebenfalls auf T+1 umstellt. Die Efama und nationale Verbände wie der deutsche BVI zeigen sich grundsätzlich offen. Zu- gleich warnen sie aber vor einem überhas- teten Nachziehen und mahnen, dass eine Fristverkürzung ungeahnte Nebenwirkun- gen haben kann. „Schließlich gibt es Aus- wirkungen, die wir heute einfach noch nicht kennen und die erst nach demÜber- gang in den USA bekannt werden“, erläu- tert Yavari. SEBASTIAN ERTINGER FP Herstatt: Von einer Bank zu einem Risiko Die Anfänge: Iwan David Herstatt, der Ver- sicherungsunternehmer Hans Gerling sowie der Maschinenfabrikant Emil Bührle übernehmen im Jahr 1955 das Kölner Bankhaus Hocker und fir- mieren dieses in die Herstatt-Bank um. Instituts- chef Herstatt gilt als umtriebiger Unternehmer und ist im gesellschaftlichen Geflecht der rheini- schen Metropole bestens vernetzt. Privatleute, Unternehmer, Kommunen bis hin zu Karnevals- vereinen und Kirchen vertrauen der Privatbank ihr Geld an. In 52 Vereinen sei er Mitglied, in zwölf davon Schatzmeister, gab Herstatt einmal zu Pro- tokoll. Zu jeder Sitzung soll der Bankier Formulare für die Kontoeröffnung mitgenommen haben. Der Aufstieg: Das Institut wächst und steigt in den Währungshandel ein. Das Feld wird zum größten Treiber des Geschäfts, denn 1971 werden die Wechselkurse zwischen dem US-Dollar und der Deutschen Mark freigegeben. Dany Dattel, der in der Bank eine Lehre absolviert hatte, über- nimmt mit Anfang 30 die Führung der Devisen- abteilung. Von dem damals futuristisch anmuten- den, mit Computern ausgestatteten Handelsraum – „Raumschiff Orion“ getauft – drehen Dattel und sein halbes Dutzend Mitstreiter ein großes Rad im Devisenhandel. Die „Goldjungs“, wie Herstatt seine Trader nennt, bringen der Bank satte Gewinne ein. Der Niedergang: Zunehmend verspekulie- ren sich Dattel und sein Team. Verluste türmen sich auf, die jedoch kaschiert werden. Handels- grenzen werden ausgehebelt. Ende 1973 verzeich- net die Herstatt-Bank offene Devisenpositionen von mehr als 700 Millionen Mark, ein Vielfaches des Eigenkapitals. Ende des Jahres startet Herstatt noch eine Anzeigenkampagne mit dem Motto „Geldanlegen darf kein Glücksspiel sein“. Doch die Anzeichen, dass etwas schiefläuft, meh- ren sich im Frühjahr 1974. Am 26. Juni schließt das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen das Kölner Institut. Es handelt sich um den bis dahin größten Zusammenbruch eines deutschen Geld- hauses. Die Folgen: Der Fall der Herstatt-Bank schlägt international Wellen. Denn mit dem von der deut- schen Finanzaufsicht verhängten sofortigen Ge- schäftsstopp bleiben Devisengeschäfte mit aus- ländischen Geldhäusern unerfüllt. Seither steht in der Finanzwelt der Begriff „Herstatt-Risiko“ für die Gefahr, dass ein Kontrahent innerhalb der Abwick- lungszeit eines Geschäfts pleitegeht und seinen Teil des Handels nicht mehr erfüllt. In der Folge wurden Verfahren entwickelt, die dieses Risiko minimieren sollen. So entsteht 1997 die CLS-Bank in NewYork, die 2002 ihren Betrieb aufnimmt. Das Institut wickelt täglich Devisentransaktionen im Volumen von rund zwei Billionen Dollar ab. » Schließlich gibt es Auswirkungen, die wir heute einfach noch nicht kennen. « Susan Yavari, Efama fondsprofessionell.at 2/2024 241 FOTO: © KÖLNISCHES STADTMUSEUM
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