FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024
Heuser: Und das war welches? Fischer: Es ging um das zu der Zeit noch als Total firmierende Mineralölunternehmen, das seit 2021 imZuge der Umwandlung in eine europäische Aktiengesellschaft Total Energies heißt. Die Gesellschaft hat schon früher durchaus hohe Dividendenrenditen bei einer gleichzeitig oft attraktiven Bewer- tung erzielt. Aber sie hat auch heute noch ein grundlegendes Problem, an dem sie zwar nicht einmal selbst die Schuld trägt, das sie aber auch künftig wohl nicht in den Griff bekommen wird. Kölsch: Worauf spielen Sie an? Fischer: Das betrifft die Pipelines. Die wer- den – vor allem in Afrika – regelmäßig von Piraten angezapft, die so das Öl absaugen. In der Folge sprudelt das Öl fleißig weiter vor sich hin und verunreinigt quadratkilo- meterweise Boden und Grundwasser. Und Total Energies kommt nicht schnell genug hinterher, um die Pipelines wieder zu repa- rieren. Da haben wir noch gar nicht über eventuell verunglückte Tanker oder Ähn- liches gesprochen. Aber wir haben uns eben schon damals, als das Thema Klima- wandel noch gar nicht so ausgeprägt im Bewusstsein der Menschen stand, überlegt, wie wir mit ESG-Fragen umgehen sollen. Kölsch: Woran haben Sie sich orientiert? Fischer: Auf der Suche nach auch für uns passenden Kriterien sind wir bei der Evan- gelischen Kirche fündig geworden, die bereits 2011 die erste Auflage ihres Leit- fadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage herausgegeben hat. Auch wenn wir längst nicht alle darin formulierten Prinzipien teilen konnten und können, hat uns das eine erste sinnvolle Orientierung gegeben auf der Suche nach Ausschlusskriterien und zur Festlegung von prozentualen Grenzen in Bezug auf den Anteil von unter ESG-Gesichtspunkten strittigen Gütern oder Dienstleistungen von Unter- nehmen. Kölsch: Aber heute werden doch auch Sie einen Schritt weiter sein bei der Entschei- dung, in welche Unternehmen Sie unter dem Nachhaltigkeitsaspekt investieren oder eben bewusst nicht investieren. Fischer: Die finale Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Investment treffen wir nach wie vor selbst und diskretionär. Wir betreiben natürlich auch eigenes ESG- Research, soweit uns das mit insgesamt drei speziell darin geschulten Mitarbeitern mög- lich ist.Wir haben aber auch relativ früh er- kannt, dass wir so etwas wie einen Alerting- Mechanismus brauchen, der uns gezielt auf negative Erscheinungen oder Entwicklun- gen aufmerksam macht, die uns über un- ser hauseigenes ESG-Research vielleicht noch nicht bewusst geworden sind. Heuser: Worauf greifen Sie dabei zurück? Fischer: Auf einen Dienstleister wie Sustain- alytics, mit dem wir bereits 2014 einen Kooperationsvertrag geschlossen haben. Die Hinweise oder „Red Flags“, die wir durch die Integration in unser Portfolio- managementsystem erhalten, sind in jedem Fall eine sinnvolle Hilfe bei der Entschei- dung für oder gegen eine Aktie. Allerdings folgen wir auch nicht jeder Empfehlung der ESG-Agentur. Heuser: Bei der Entscheidung, sich von Ih- remVorbildunternehmen Berkshire Hatha- way zu trennen, aber schon, oder? Fischer: Im Prinzip ist das tatsächlich so, wo- bei ich sagen muss, dass wir das wirklich sehr schweren Herzens getan haben. Ande- rerseits ist es ein Beleg dafür, dass wir es tat- sächlich ernst meinen mit der Einhaltung unserer ESG-Kriterien und diese auch wirk- lich und ausnahmslos konsequent leben. Der Auslöser war damals Warren Buffetts Entscheidung, seine Beteiligung an Occi- dental Petroleum so stark zu erhöhen, dass damit die durch unsere Ausschlüsse defi- » Die finale Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Investment treffen wir nach wie vor selbst und diskretionär. « Frank Fischer, Shareholder Value Management MARKT & STRATEGIE Nachhaltig nachgefragt | Frank Fischer | Shareholder Value Management 78 fondsprofessionell.at 1/2024 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH NACHHALTIG NACHGEFRAGT
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