FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024

Jurist auf Haftungsthemen. Zivilrechtliche Fragestellungen hätten die EU-Experten in dem Vorschlag „außen vor gelassen“, kriti- siert er und bringt ein weiteres Beispiel: Für die „Know-Your-Customer“-Dokumenta- tion (KYC) kaufen Finanzunternehmen oft Informationen von Datenanbietern wie Dow Jones oder World Check. Würden diese an Drittanbieter weitergereicht, stün- de man vor einem Lizenzthema. Und ganz grundsätzlich könnte Open Finance schon deshalb zur Herausforderung werden, weil die zum Austausch gedachten Daten oft nicht standardisiert vorliegen: So arbeiten etwa Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs) wahlweise mit sieben oder fünf Risiko- stufen. Bevor Informationen automatisiert über eine technische Schnittstelle ausge- tauscht werden können, müsse noch eini- ges an Vereinheitlichung passieren. Es wird teuer Apropos Schnittstellen: Sie sind ein gro- ßer Knackpunkt der Regulierung. Nach dem Wunsch der EU-Kommission müss- ten sogenannte APIs (technische Lösungen, über die Externe auf ausgewählte Daten anderer zugreifen können) eingerichtet werden. „Eine Wertpapierfirma muss nach Schätzungen der EU-Kommission für die Errichtung einer API mit 100.000 Euro rechnen. Aufwände für die laufende Erhal- tung solcher Systeme sind da noch nicht miteingerechnet“, sagt Alexander Kern, Ge- schäftsführer des Fachverbands der Finanz- dienstleister. Er hat sich intensiv mit den Konsequenzen der Open-Finance beschäf- tigt und sofort Protest auf EU-Ebene einge- legt. Kern ist alarmiert; nicht zuletzt wegen seiner Erfahrungen aus der PSD2-Umset- zung, die er als Jurist (damals noch abseits des Fachverbands) miterlebt hat. „Die Ban- ken hatten mit der Einführung der Schnitt- stellen große Schwierigkeiten – und das obwohl die Kreditinstitute sehr gute und große IT-Abteilungen haben. Man kann nicht einfach ein System ausweiten, mit dem schon die Banken zu kämpfen hat- ten“, kritisiert Kern. Er fordert, dass zumin- dest kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von Open Finance ausgenommen werden. Den hohen Kosten stehe schlicht kein stimmiger Use-Case gegenüber. Die EU-Kommission geht in ergänzen- den Ausführungen zu ihrem Vorschlag da- von aus, dass die Kosten „über den Vergü- tungsmechanismus im Lauf der Zeit amor- tisiert“ werden. Im Unterschied zu PSD2 / Open Banking sollen nämlich bei Open Finance Externe für den Zugriff auf die Daten zahlen müssen. Am ehesten dürfte das über einen Beitrag pro API-Aufruf geschehen. Kern ist aber skeptisch, ob insbesondere kleinere Anbieter über den Entlohnungs- mechanismus ausreichend hereinbekom- men, um den Aufwand zu kompensieren. Den Vorschlag der Kommission, kleinere Unternehmen könnten sich ja bei der API- Entwicklung zusammentun, hält Kern für praxisfremd. Am Ende würden dadurch Wettbewerber gezwungen, eine langfristige technische Kooperation einzugehen. Wer braucht das? Kern hinterfragt so wie alle Experten, mit denen die Redaktion gesprochen hat, wie es überhaupt zu dem umfassenden Verordnungsentwurf kam und vor allem wem das in der Realität wirklich nützen würde.Hinter PSD2 standen noch konkret vorgebrachte Anliegen: Anbieter, insbeson- dere Fintechs, hatten bei der EU-Kommis- sion urgiert, weil sie von den Banken nicht die Daten bekamen, um ihre Geschäftsmo- delle anzubieten.Dazu zählen zum Beispiel Zahlungsauslösedienste wie der Sofortüber- weisungsanbieter Klarna oder Apps, die Konteninformationen von verschiedenen Banken bündeln und dadurch den Kunden einen besseren Überblick über ihre Finan- zen verschaffen. Beim vorliegenden Vor- schlag sei dieser Druck hingegen nicht zu sehen. Keines der Mitgliedsunternehmen Martin Pichler, Rechtsanwalt: „Will man sich auf Daten verlassen, die ein anderes Unternehmen irgendwann erhoben hat?“ Alexander Kern, Geschäftsführer des Fachver- bands der Finanzdienstleister in der WKO, warnt vor Kosten ab 100.000 Euro für eine Wertpapierfirma. » Man kann nicht einfach ein System ausweiten, mit dem schon die Ban- ken zu kämpfen hatten. « Alexander Kern, Fachverbands-GF fondsprofessionell.at 1/2024 261 FOTO: © MARKUS BACHER, STUDIO MATPHOTO | WKOE

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