FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024
Sandra Wachter, Professorin am Oxford Internet Institute, über die Grenzen der künstlichen Intelligenz, Chancen und Risiken der Technologie für die Finanzbranche und die Frage, wie sich Ent- scheidungen der vermeintlichen „Blackbox“ nachvollziehen lassen. S andra Wachters Großmutter war eine der ersten Frauen, die die TU Wien besuchen durften – und weckte bei der En- kelin das Interesse an Technologie. Heute forscht Wachter am Oxford Internet Insti- tute an der Schnittstelle von Technologie und Recht. Die Redaktion nutzte die Gele- genheit, sie nach ihrem Auftritt auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim zum Trendthema schlechthin zu sprechen: künstliche Intelligenz. Frau Wachter, Sie forschen seit vielen Jahren zu Fragen rund um die künstliche Intelligenz. KI ist nichts wirklich Neues und wird schon lange in vielen Bereichen ein- gesetzt. Im „Mainstream“ angekommen ist die Technologie allerdings erst seit Einfüh- rung von ChatGPT und Co. vor gut einem Jahr. Was ist eigentlich das Innovative an diesen Modellen? Sandra Wachter: KI ist tatsächlich nichts Neues, vor allem nicht in der Finanzbran- che. Schon in den 1960er-Jahren setzten Banken Algorithmen bei der Kreditvergabe ein. In den 1980er-Jahren begann man mit KI-Modellen im Wertpapierhandel zu ex- perimentieren, Anfang der 2000er-Jahre folgte dann das High-Frequency-Trading. Neu ist, dass seit rund anderthalb Jahren generative KI genutzt wird. Die früheren KI-Modelle zielten meist auf eine Klassifi- kation, eine Entscheidung ab. Es ging um Fragen wie: Ist auf dem Bild ein Hund zu sehen? Oder eben auch: Soll der Kunde ein Darlehen erhalten? Generative KI dagegen wird selbst kreativ. Sie soll nicht unbedingt eine Entscheidung fällen, sondern sie er- stellt Inhalte. Neu ist auch die Unmenge an Daten, die KI mittlerweile verarbeiten kann. Zum einen gab es früher einfach noch nicht so viele Daten, zum anderen fehlte es an der nötigen Rechenleistung. Wo wird KI aktuell in der Finanzbranche eingesetzt? Und wie geht es von hier aus vermutlich weiter? Da fallen mir zahlreiche Einsatzmöglich- keiten ein – intern wie extern. Bankintern leistet KI beispielsweise gute Dienste in der Betrugserkennung. Auch virtuelle Assis- tenten finden zunehmend Verbreitung. Sie erlauben es den Mitarbeitern,mit gezielten Fragen das Wissen des gesamten Konzerns abzurufen, selbst wenn diese Daten nur unstrukturiert vorliegen. Hilfreich ist KI natürlich auch bei administrativen Tätig- keiten, etwa im Automatisieren von Repor- tings. Extern, also im Kundenkontakt, kom- men mittlerweile zahlreiche KI-Chatbots zum Einsatz. Auch in der Robo-Beratung finden sich KI-Algorithmen, hier würde ich aber noch von einer Testphase sprechen. Ein Zukunftstrend ist sicherlich die Hyper- personalisierung im Wealth Management. Künftig wird es zahlreiche wirklich maß- geschneiderte Finanzprodukte geben. Ohne KI wäre das viel zu aufwendig.Wich- tig ist bei alldem, die Möglichkeiten der KI richtig einzuschätzen, ihr also nicht zu viel zuzutrauen. Wie meinen Sie das? Die KI hat keine Kristallkugel, sie kann nicht in die Zukunft blicken. ImGegenteil, sie schaut nur in die Vergangenheit. Daher ist sie in Wahrheit nicht innovativ, sondern „KI ist nicht innovativ, sondern urkonservativ “ » Der Finanzberater wird nie vollständig wegautomatisiert werden. « Sandra Wachter, Universität Oxford VERTRIEB & PRAXIS Sandra Wachter | Universität Oxford 198 fondsprofessionell.at 1/2024
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