FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024

Genug Geld für die Pension anzusparen ist eine „No na“-Tugend. Doch wie motiviert man zur Vorsorge? Und wie wird das Kapital verwendet? Damit beschäftigen sich Ruhestandsplaner . Ein Psy- chotherapeut und zwei Vertriebsprofis sagen, worauf es ankommt. W er in der Altersvorsorgeberatung die positiven Aspekte stärker be- tont, kann mehr Leute zum rechtzeitigen Handeln motivieren, sagen der Geronto- psychotherapeut Gerald Gatterer, Standard- Life-Österreich- und Deutschland-Verant- wortlicher Christian Nuschele sowie der Vermögensberater Ronald Felsner. Herr Gatterer, Untersuchungen zeigen: Wir wissen, dass es in der Pension zu einer Finanzlücke kommt, sind aber dennoch Vorsorgemuffel. Warum ist das so? Gerald Gatterer: Unser Gehirn ist program- miert auf Unlustvermeidung.Wenn Ängste entstehen, führt das nicht automatisch da- zu, dass ich mich mit der Situation logisch auseinandersetze. Ich begebe mich in die Verdrängung und sage,es wird schon irgend- wie gehen. Es ist sicher auch eine Mentali- tät der Österreicherinnen und Österreicher, dass wir gern negativ denken, aber dann nicht die Konsequenz ziehen und etwas Konstruktives daraus machen. Herr Nuschele, welche Ausreden hören Sie, wenn’s ums Vorsorgen geht? Christian Nuschele: Wir sehen das Phäno- men in Deutschland auch. Eine von uns beauftragte Integral-Umfrage zeigt sogar, dass das Bewusstsein der Österreicher, dass in der Pension weniger Geld zur Verfü- gung steht, extrem hoch ist. Auf dieses Wissen zu reagieren ist aber noch einmal eine andere Dimension: Vorsorge fühlt sich in jungen Jahren nicht akut an; es passiert nix, wenn ich in den nächsten Monaten nichts unternehme. Und dazu kommt: Sich mit Vorsorge auseinanderzusetzen ist im Ergebnis oft unangenehm. Die Lösung ist nämlich oft Konsumverzicht. Wenn ich einen Bericht über Altersarmut sehe und daneben einen über Taylor Swift, dann klicke ich auch lieber auf Taylor Swift. Die Armutskeule ermuntert mich nicht.Wie kann man in der Beratung den Anlegern helfen, die Unlust zu überwinden? Gatterer: Tatsächlich wird oft mit negativen Perspektiven gearbeitet.Wir hören, was wir alles machen sollten, um später nicht zu leiden. Wenn Vorsorge mit Verzicht ver- bunden ist, müssen wir Verzicht anders definieren: „Ich gebe die 100 Euro jetzt nicht aus, sondern baue mir damit etwas Schönes auf.“ Natürlich ist das schwierig; unser Gehirn ist auf den Augenblick pro- grammiert – deshalb werden wir auch schneller dick, als wir abnehmen. Hunger spüre ich, den möchte ich stillen. Dick sein spüre ich nicht so richtig. Es ist wichtig, schon früh die Frage zu stellen, was Sie selbst Positives tun können, um später eine möglichst hohe Lebensqualität zu haben. Dieser Zugang fehlt heute oft noch. Herr Nuschele, wie lässt sich das auf die Beratungspraxis übertragen? Nuschele: Was für meine Begriffe zu wenig stattfindet, ist ein Brückenbauen. Ein Bei- spiel: Bei vielen gehört der tägliche Coffee to go zur Routine. Das sind 4,50 Euro,mit Trinkgeld 5 Euro – im Monat 100 Euro, die ich für die Vorsorge ansparen könnte. 100 Euro laufende Beiträge bei 10.000 Euro Starterlag ergeben bei einer 30-Jähri- gen am Ende 330.000 Euro in einem Ver- sicherungsvertrag. Vielen ist nicht bewusst, dass mit so kleinen Veränderungen viel be- „Unser Gehirn ist auf den Augenblick programmiert“ » Wenn Vorsorge mit Verzicht verbunden ist, müssen wir Verzicht an- ders definieren. « Univ.-Prof. Dr. Gerald Gatterer, Sigmund Freud Privatuniversität Wien (SFU) FONDS & VERSICHERUNG Ronald Felsner | FBP + Christian Nuschele | Standard Life + Gerald Gatterer | SFU Wien 162 fondsprofessionell.at 1/2024

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