FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024

Börse konnte gerade ein Allzeithoch errei- chen … Ja, die realwirtschaftliche Entwicklung klafft im Vergleich zu der Entwicklung an den Börsen doch deutlich auseinander. Dabei ist wichtig, dass die deutsche Indus- trie ihre Brötchen eben nicht nur in Deutschland verdient. In den USA ist die Konjunktur schließlich ganz gut gelaufen, und auch in China ist sie relativ stabil. Somit kann trotz einer schrumpfenden In- dustrieproduktion in Deutschland gleich- zeitig die Industrieproduktion außerhalb der Eurozone für vernünftige Wachstums- aussichten sorgen. Die Gewinne der DAX- Unternehmen können also auch dann stei- gen, wenn in Europa und Deutschland die Situation schlecht aussieht. Sieht man sich die aktuellen Konjunktur- entwicklungen in den verschiedenen Län- dern der Eurozone an, so gibt es doch massive Unterschiede: Spanien konnte sich etwa deutlich besser entwickeln als Öster- reich.Woher kommen diese Unterschiede? Wir sehen in der aktuellen Teuerungsphase, wie wichtig das psychologische Element und wie dramatisch der Vertrauensverlust durch überraschend hohe Inflationsraten ist.Wir hatten in Österreich einen massiven Einbruch des Konsumentenvertrauens.Mei- ne These ist, dass dieser ganz fundamental mit der Höhe der Inflationsrate zusammen- hängt.Wir hatten ja Inflationsraten von bis zu zwölf Prozent und dann auch eine lang anhaltende Phase mit hoher Inflation. Im Rückspiegel haben wir Wirtschaftsforscher den Einfluss dieser Entwicklung auf das Verbrauchervertrauen nicht hoch genug eingeschätzt. Das hat sich Spanien, aber auch Italien oder Portugal erspart, in diesen Ländern waren die Preise in der Vergangen- heit weitaus weniger dynamisch als bei uns. Hier, aber auch in Deutschland steigt die Inflation ja bereits seit 2010. Früher hat man immer gesagt, dass Deutschland der Hort der Preisstabilität ist.Das hat sich nun geändert und wirkt sich massiv auf den Konsum aus. In Ländern wie Spanien, aber auch in den USA treibt der Konsum die Konjunktur hingegen nach oben. Aktuell gehen diemeistenMarktteilnehmer von Zinssenkungen aus, Muss man sich Sorgen wegen eines neuerlichen Aufflam- mens der Inflation machen? Eigentlich sollte man in Österreich keine Angst mehr vor weiteren Preissteigerungen haben, die Inflation geht verlässlich zurück. Es gibt aus unserer Sicht auch keine Anzei- chen dafür, dass es anders laufen könnte. Aber in den Köpfen der Menschen ist das noch nicht angekommen.Was die Auswir- kungen von Zinssenkungen betrifft, ist es eine Frage des Timings. Wir werden aus aktueller Sicht dieses Jahr zumindest eine Zinssenkung sehen, allerdings wird diese keine wesentliche Auswirkung auf die Inflation haben. Ich würde meinen, dass die Notenbanken konservativ genug sind und auch wissen, dass es darum geht, die Glaubwürdigkeit zu erhalten. Daher wer- den wir nicht zu früh zu große Zinsschritte sehen. Insofern würde ich mir aktuell keine allzu großen Sorgen machen. Klar ist aber auch, dass eine moderate Zinssenkung von 75 bis 100 Basispunkten die Konjunktur allein nicht retten wird können. Das hilft natürlich, wird aber keine großen Wachs- tumsimpulse bringen. Danke für das Gespräch. GEORG PANKL, GERHARD FÜHRING FP » Wir sehen in der aktuellen Teuerungsphase, wie wichtig das psychologische Element ist. « Gabriel Felbermayr, Wifo BUCHTIPP: In seinem neuen Buch Europa muss sich rechnen zeigt Prof. Gabriel Felbermayr, warum sich die Europäische Union auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren sollte. Nur so findet sie laut dem Wifo-Direktor im Inneren ausreichend Zustimmung und nach außen Gehör. Warum der Schlüssel dazu in der Voll- endung der Wirtschaftsunion liegt und wir uns zu einer Union der gemeinsamen öffentlichen Güter weiterentwickeln müssen, zeigt er in seinem Plädoyer für ein zukunftsfähiges Europa. Erschienen im Brandstätter Verlag ISBN: 978-3-7106-0783-7 152 Seiten, Preis: 20 Euro FOTO: © MARKUS BACHER MARKT & STRATEGIE Gabriel Felbermayr | Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung 110 fondsprofessionell.at 1/2024

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