FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024

steigern und bekommen gleichzeitig einen Wachstumsschub. Aktuell sieht es in Sachen Wirtschafts- wachstum in Europa und vor allem in Österreich eher schlecht aus. Wie ist Ihre Einschätzung für Österreich? Im vergangenen Jahr hat das Wifo mit einer Prognose von 0,8 Prozent Wirtschafts- wachstum eine Punktlandung hingelegt. Für dieses Jahr werden wir unsere Progno- se aber massiv nach unten korrigieren müs- sen. ImDezember lag unsere Prognose für das Jahr 2024 noch bei 0,9 Prozent. Die erwartete Belebung der Konjunktur durch den Konsum ist aber noch nicht da. In Deutschland wurde die Prognose vom Bundeswirtschaftsministerium bereits auf 0,2 Prozent reduziert, das hatte auch mit der Budgetkrise und dem damit einherge- henden Bremseffekt auf die Wirtschaft zu tun. Dass es in Deutschland eine staatlich unterstützte Industriepolitik geben könnte, ist dadurch fraglich geworden. Und das ist nicht nur für die deutsche Konjunktur schlecht, sondern auch für die österreichi- sche. Für das Jahr 2025 ist eine aktuelle Prognose noch schwierig, rein technisch gesehen müsste aber aus der Konjunktur- theorie heraus ein Aufschwung kommen. Wie sehr wird sich Österreich aus Ihrer Sicht mittelfristig von den Konjunkturpro- blemen Deutschlands entkoppeln können? Bisher hat die deutsche Industrie Deutsch- land als Standort zunehmend gemieden und ist stark nach Osteuropa oder auch nach China und in die USA abgewandert. Viele österreichische Zulieferer sind da einfach mitgezogen. Hier gibt es einen Kausalzusammenhang. Nun könnte sich das allerdings ändern, da sich die Wett- bewerbsfähigkeit der österreichischen In- dustrie nun anders darstellt als noch vor drei, vier Jahren. Die Energiepreise sind höher, und auch die Löhne sind gestiegen. Das drückt auf alle Branchen.Wir profitie- ren also nicht von der deutschen Standort- schwäche, sondern haben eher eine Kor- relation. Die Einschätzung, dass wir nun von Deutschland mitgezogen werden, ist aber falsch. Es sind eher hausgemachte Probleme, die unsere Wettbewerbsfähigkeit reduzieren. Früher war es aber so, dass österreichi- sche Unternehmen der deutschen Wirt- schaft zulieferten undwir zusätzlich touris- tisch von den Deutschen profitieren. Gibt es dieses Abhängigkeitsverhältnis nicht mehr? Dieses Verhältnis hat sich historisch redu- ziert. Die deutsche Industrie ist nicht mehr so deutsch wie früher, da sie mittlerweile auf der ganzen Welt produziert und im Prinzip auch der ganzen Welt gehört. Die Globalisierung der deutschen Großkonzer- ne hat den österreichischen Zulieferern das Lieferportfolio diversifiziert. Wir hängen daher nicht mehr so stark von der deut- schen Konjunktur ab, sondern eher von der weltweiten Maschinenbaukonjunktur. Das ist grundsätzlich gut für uns. Ähnliches zeigt sich auch im Tourismus, wo ebenfalls eine deutliche Diversifizierung stattgefun- den hat. Diese enge Verzahnung mit den Deutschen nach dem Motto „Wenn die Deutschen niesen, haben wir Schnupfen“ hat sich etwas gelöst. Wie passt die schwache deutsche Wirt- schaft mit der Entwicklung des DAX zu- sammen? Der Leitindex der Deutschen » Die Globalisie- rung der deut- schen Großkon- zerne hat den österreichischen Zulieferern das Lieferportfolio diversifiziert. « Gabriel Felbermayr, Wifo FOTO: © MARKUS BACHER fondsprofessionell.at 1/2024 109

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