FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2024

Seit 2021 ist Prof. Gabriel Felbermayr Direktor des Österreichi- schen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Im Interview erklärt der Topökonom, wie es aus seiner Sicht derzeit um Europa und Österreich steht. S eine Meinung hat in Österreich Gewicht: Die Rede ist von Gabriel Felbermayr. Der Direktor des Österreichi- schen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) in Wien und Professor an der Wirt- schaftsuniversität Wien zählt zu den re- nommiertesten und einflussreichsten Öko- nomen Österreichs. Jüngst veröffentlichte er mit seinem neuen Buch „Europa muss sich rechnen“ein Plädoyer für ein zukunfts- fähiges Europa. Im Gespräch erklärt der Wifo-Direktor, wie es aus seiner Sicht der- zeit um Europa und Österreich steht und wo er aktuell den größten Handlungs- bedarf sieht. Herr Prof. Felbermayr, Sie haben gerade ein Buch publiziert, das sich damit beschäf- tigt, welche Reformen auf Ebene der Euro- päischen Union notwendigwären, umdiese zukunftsfit zu machen. Welche Punkte müssten aus Ihrer Sicht hier angegangen werden? Der Titel des Buchs lautet „Europa muss sich rechnen“. Damit meine ich, es muss sich für Bürger innerhalb der EU rechnen. Die wirtschaftlichen Effekte Europas müs- sen wieder deutlicher sichtbar werden. Dafür gibt es aus meiner Sicht ein wirklich gutes Rezept: Es besteht darin, europäische Gemeinschaftsgüter, die die Menschen auch in allen Umfragen haben wollen, stär- ker zu priorisieren. Zum Beispiel weniger Umverteilungen und Ausgaben für den Agrarsektor, dafür mehr Ausgaben in die Infrastruktur, etwa in paneuropäische Ener- gienetze. Wir brauchen künftig hochmo- derne Stromleitungen von Norwegen bis nach Sizilien. Wer soll das machen, wenn nicht die Europäische Union? Zudem be- nötigen wir massive Investitionen in den Bereich der Schiene, vor allem in den grenznahen Regionen passiert hier viel zu wenig. Wir brauchen aber auch massiv europäische Anstrengungen im Bereich der Grenzsicherung. Die Dynamik, die wir im Moment bei den Verteidigungsausgaben sehen, müssen wir nutzen, um auch tech- nologisch Impulse auszulösen. Der militä- risch-industrielle Komplex kann viel Inno- vation auslösen, und das muss uns gelin- gen. Das gelingt uns aber nicht, wenn wir alles 27-mal beschaffen und es 27 Systeme gibt.Wir brauchen nicht nur hier ein euro- päisches System, sondern auch im Bereich der Forschung allgemein. Innerhalb der EU gibt es zwar viele gute Universitäten und Forschungseinrichtungen, die sind aber untereinander schlecht vernetzt, da braucht es auch eine europäische Initiative. Woher soll aus Ihrer Sicht das Potenzial für Wachstum innerhalb der EU in den nächs- ten Jahren kommen? Benötigt wird ein großer Anstoß im Be- reich des Binnenmarktes, da gibt es viel zu tun, das sind alles dicke Bretter. Diese ha- ben aber den Vorteil, dass das meiste eher Geld spart und weniger mit Kosten ver- bunden ist. Wenn wir etwa bei der Rüs- tungsbeschaffung gemeinsam vorgehen, bekommen wir mehr, und es wird güns- tiger. Für eine gemeinsame Investitions- politik im Bereich der Stromnetze mehr Sicherheit und mehr Stabilität um das gleiche Geld. So können wir die Effizienz „Es braucht eine europäische Initiative “ » Die wirtschaftlichen Effekte Europas müssen wieder deutlicher sichtbar werden. « Gabriel Felbermayr, Wifo MARKT & STRATEGIE Gabriel Felbermayr | Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung 108 fondsprofessionell.at 1/2024

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