FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024

ze Branche mit einer Nachfrageschwäche, aber klar ist: Alle deutschen Hersteller sind widerstandsfähig gegenüber konjunkturel- len Schwankungen und haben eine enor- me Finanzkraft. Wenn die Situation natür- lich über mehrere Jahre andauert, würde sich das auch auf ihre Finanzkraft auswir- ken, aber das sehen wir momentan nicht. Auch Staaten kann die Pleite drohen, wie die Euro-Staatsschuldenkrise ab 2010 ge- zeigt hat. Der Internationale Währungs- fonds (IWF) warnte zuletzt vor den rasant steigenden Staatsschulden weltweit. Auch die Verschuldung vieler Euro-Staaten steigt wieder steil an. Bereitet Ihnen das Sorgen? Im aktuellen Umfeld mit geringerem Wachstum und hohem Ausgabenbedarf können viele Euroländer ihre Verschul- dungsquoten nicht so einfach konsolidieren. Aber es kommt uns vor allem darauf an, wie die Wirtschaftsstruktur und die Steuer- einnahmen langfristig aussehen.Und da ha- ben die Euro-Länder – trotz einiger Schwie- rigkeiten – doch noch ihre Stärken. Gerade in den sogenannten Peripheriestaaten haben wir viele Ratingverbesserungen gesehen. Mit Frankreich haben Sie aber zuletzt eines der Kernländer der Eurozone umeine Note zurückgestuft. Bei Frankreich haben wir das Rating um eine Stufe gesenkt, weil die Konsolidierung der staatlichen Haushalte schlichtweg zu lang dauert. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ratings im Euro- raum insgesamt stabil sind. Die USA und China stehen für einen Groß- teil der staatlichen Schuldenberge. Beide investierenmassiv, etwa in Zukunftstechno- logien. Deutschland möchte dagegen die Schuldenbremse einhalten. Ist die Schul- denbremse ein Garant für ein gutes Rating? Oder führen geringere Investitionen über geringeres Wachstum und Steuereinnah- men irgendwann auch zu einer schlechte- ren Bonitätsnote? Wie bei Unternehmen kommt es auch bei Staaten nicht nur auf die Schulden an, son- dern auch auf das langfristige „Geschäfts- modell“ und die Finanzkraft. Die Schul- denbremse per se kann kurzfristig positiv auf die Verschuldungsquote wirken, aber sie garantiert kein bestimmtes Rating. Langfristig kommt es aber auch darauf an, welche Weichen ein Land für die Zukunft stellt.Wenn ein Land seine Sozialausgaben mit Schulden bestreitet, dann wird das für die Bonität eventuell weniger bringen. Wenn es in Infrastruktur investiert und in das Know-how der Menschen, dann schon. Welche Ratingtrends sehen Sie bei den Schwellenländern? Einen klaren Trend kann man hier nicht ausmachen. Viele Länder wie etwa Indone- sien haben ihre Bonität deutlich verbessert, manche haben sich wieder verschlechtert: Brasilien und Südafrika etwa sind wieder aus dem Investment-Grade-Bereich heraus- gerutscht. Allerdings haben heute wesent- lich mehr Emerging Markets ein Rating und einen Zugang zum Anleihenmarkt. Welche Risiken bereiten Ihnen aktuell am meisten Kopfzerbrechen? Sorgen machen uns Cyberrisiken, vor allem aber die geopolitischen Risiken. Wir kön- nen diese Risiken nicht genau quantifizie- ren, aber sie treffen Unternehmen auf ganz vielen Ebenen, etwa über Lieferketten, Nachfrage und Preise. Das macht auch die Szenarioanalyse extrem schwierig. Für uns ist es gerade deshalb wichtig, dass Unterneh- men eine Resilienz haben,wenn solche Sze- narien eintreten – und sie werden kommen. Vielen Dank für das Gespräch. JOCHEN HÄGELE FP KURZ-VITA: Tobias Mock Tobias Mock kam vor fast 20 Jahren zu S&P Global, seit Juni 2019 ist er Deutschlandchef. Bevor er sich der Ratingagentur anschloss, arbeitete der Diplomkaufmann knapp fünf Jahre als Analyst bei der Hypovereinsbank und ein Jahr als Relationship Manager für die Royal Bank of Scotland. » Wir haben ein Rekord- jahr bei Neuemissionen von Unternehmen. « Tobias Mock, S&P Global FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH fondsprofessionell.at 4/2024 91

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