FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024
ungewöhnlichen Entwicklung dieser Zeit aber so gut wie keinen wirklich sicheren Hafen, in den man sich hätte zurückziehen können, bis auf wenige Ausnahmen. Claus: Welche waren das aus Ihrer Sicht? Tanzmeister: In einem Umfeld, in dem wirklich nur sehr wenige Maßnahmen geholfen haben, waren es allenfalls unser Anteil an Aktien mit einer hohen Divi- dendenausschüttung und einige taktische Entscheidungen, durch die wir Verluste einigermaßen begrenzen konnten. Daher konnten wir das Jahr 2022 doch noch bes- ser abschließen, als das unterjährig zeitweise zu erwarten gewesen wäre. Schoenhaut: Auch das letzte Jahr war von ei- nem erheblichen Gegenwind für unsere Strategie geprägt. Der kam diesmal aller- dings aus einer ganz anderen Richtung. Heuser: Wie meinen Sie das? Schoenhaut: Die Inflation war zunächst zwar noch bei Weitem nicht im Griff, bewegte sich aber erkennbar in die ge- wünschte Richtung nach unten. Das war sicher mit ein Grund dafür,warum sich die Entwicklung an den Aktienmärkten ins- gesamt auf eine Weise konzentriert hat, wie ich sie in meiner immerhin 27-jährigen Laufbahn als Fondsmanager wirklich ex- trem selten, eigentlich noch nie erlebt habe. Nach den Ereignissen im Vorjahr suchten Aktienanleger weltweit ihr Heil im US- Aktienmarkt, und innerhalb dieses Marktes waren es die als Magnificent Seven be- kannt gewordenen Wachstumswerte der Technologiebranche. Tanzmeister: Eine Entwicklung, die einer Multi-Asset-Strategie, wie wir sie imGlobal Income Fund verfolgen und die weniger Wachstumswerte im Portfolio hatte, natür- lich alles andere als in die Karten gespielt hat. Wir haben diese starke Untergewich- tung von Growth in der Folgezeit aller- dings etwas reduziert, indemwir uns an ei- nigen aus unserer Sicht noch relativ mode- rat bewerteten, aber aussichtsreichen Unter- nehmen beteiligt haben. Schoenhaut: Dennoch konnten wir damit nicht verhindern, dass wir mit unserem Fonds 2023 hinter den Ergebnissen von sehr stark wachstumsorientierten Multi- Asset-Managern zurückgeblieben sind, ins- besondere wenn diese höhere Risiken ein- gegangen sind als wir. Ich glaube aber, dass die Mehrzahl unserer Investoren verstan- den hat, warum wir mit unserer Strategie nicht mit einem auf Wachstum fokus- sierten Multi-Asset-Mandat Schritt halten konnten. Claus: Müssen Anleger in Income-Strate- gien auch künftig einfach mit geringeren Erträgen leben als jene, die auf Wachstum setzen? Schoenhaut: Selbst wenn das so wäre, dann dürfte uns das nicht veranlassen, das Risiko in unserem Portfolio ungebührlich zu er- höhen, indem wir sehr viel stärker in Growth-Assets investieren. Natürlich ist es verlockend, wenn man als Anleger mit Kryptowährungen, Wachstumsaktien oder anderen Instrumenten die Chance hat, sein Geld innerhalb weniger Monate zu ver- doppeln. Aber auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass ein Segment wie die er- wähnten Glorreichen Sieben sich in einer Blase befindet oder nicht auch in Zukunft gute Erträge erzielen könnte: Das Ausmaß der Dispersion wird nicht in alle Zukunft hinein tragbar sein. Und die Erfahrung zeigt, dass Märkte nicht auf Dauer von einer nur kleinen Gruppe von Aktien dominiert werden. Tanzmeister: Zudem wären die Opportuni- tätskosten enorm hoch, wenn wir versu- » Eine Entwicklung, wie ich sie in den 27 Jahren meiner Laufbahn noch nie erlebt habe. « Michael Schoenhaut, J.P. Morgan AM MARKT & STRATEGIE Fondsmanager im Kreuzverhör | Michael Schoenhaut + Jakob Tanzmeister | J.P. Morgan AM 48 fondsprofessionell.at 4/2024 FOTO: © BERND ROSELIEB I J.P. MORGAN KREUZ VERHÖR
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