FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024

Kunden und Kundinnen über den Einsatz und die Rolle der KI im Anlageentschei- dungsprozess informieren. Diese Informa- tionen müssen klar, fair und nicht irrefüh- rend sein. Zudem ist es erforderlich, Kun- den und Kundinnen auch im „normalen“ Kontakt darauf hinzuweisen, wenn Chat- bots oder andere KI-basierte automatisierte Systeme eingesetzt werden. Die Stellungnahme der ESMA themati- siert außerdem das Kompetenzprofil der KI-Anwendungen. Wie menschliche Bera- ter müssen diese über bestimmte Fach- kompetenzen verfügen.Dienstleister, die KI zur Information der Anleger über Anlage- produkte einsetzen, haben dabei erhöhte Sorgfalt walten zu lassen, um das gleiche Maß an Qualitätsstandards zu gewährleis- ten wie bei einer rein analogen Dienstleis- tung. Konkret bedeutet dies, dass strenge Kontrollen vorzusehen sind, um vorab (ex ante) die Richtigkeit der an KI-Systeme gelieferten und von ihnen genutzten Infor- mationen sicherzustellen. Damit soll ver- hindert werden, dass fehlerhafte Informa- tionen verbreitet oder eine irreführende Anlageberatung erbracht wird.Wertpapier- dienstleister haben außerdem regelmäßig Ex-post-Kontrollen durchzuführen, um alle Prozesse zu überwachen und zu bewerten, bei denen Informationen direkt oder indi- rekt über KI-gesteuerte Mechanismen bereitgestellt werden. Diese nachträglichen Kontrollen sollen die Einhaltung der Mifid-II-Verpflichtungen gewährleisten und Anleger vor unrichtigen oder irreführen- den Informationen über Anlageprodukte und -dienstleistungen schützen.Mitarbeiter in entsprechenden Kontrollfunktionen sind über die operativen Aspekte der KI, potenzielle Risiken, ethische Überlegungen und regulatorische Auswirkungen zu schu- len. Zusätzlich widmet sich die Stellung- nahme der ESMA speziell der Geeignet- heitsprüfung. Auch hier liegt der Fokus auf Transparenz. Es ist zunächst klar darzu- legen, in welchem Umfang menschliche Mitarbeiter einbezogen sind und ob und wie die Kunden und Kundinnen Unter- stützung durch menschliche Mitarbeiter er- halten können. Zudem muss den Anle- gern erklärt werden, dass ihre Angaben die Auswahl der geeigneten oder in ihrem Namen getroffenen Anlageentscheidungen unmittelbar beeinflussen. Weiterhin ist zu erläutern, wie und wann die Informatio- nen über die Situation und persönlichen Verhältnisse der Kunden und Kundinnen aktualisiert werden. Schließlich sind jene Informationsquellen zu beschreiben, die für die Anlageberatung oder Vermögens- verwaltung genutzt werden. KI in der Praxis In Deutschland wird zunehmend sogar über eine Pflicht zum KI-Einsatz nachge- dacht. So wird diskutiert, ob Geschäftsleiter verpflichtet werden sollen, KI in ihre Pro- zesse zu integrieren. Ähnliche Überlegun- gen gibt es in der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung. Zahlreiche wissen- schaftliche Studien zeigen, dass der Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT in der Finanz- beratung und Vermögensverwaltung zu besseren Ergebnissen führt (so etwa das CESIFO Working Paper No. 10529, 2023). Der hinter dieser Diskussion stehende Grundgedanke ist einfach: Wer keine KI einsetzt, handelt möglicherweise nicht im besten Interesse seiner Kunden. Obwohl eine solche Pflicht derzeit verneint wird, wird betont, dass die Entwicklungen im Fluss sind. Stellungnahmen aus der Wissen- schaft zufolge dürfte es daher nicht mehr lange dauern, bis ein – wie auch immer definierter – Einsatz von KI als Mindest- anforderung angesehen wird. Das ist auf den ersten Blick vielleicht überraschend, doch historisch nichts Neues. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bereits beim Aufkommen des Internets. Früher genügte es, wenn der Berater vor der Emp- fehlung eines Finanzinstruments die ein- schlägige Wirtschaftspresse auswertete. Heute muss man von ihm erwarten kön- nen, dass er eine Internetrecherche durch- führt – unabhängig davon, wie detailliert diese im Einzelfall ausfällt. Das wird früher oder später auch im Bereich der KI gelten. Resümee Die hier skizzierten Grundprinzipien für den Einsatz von KI sind eine Momentauf- nahme und werden sich in naher Zukunft – abhängig von der weiteren technologi- schen Entwicklung – verändern und weiter- entwickeln. Diese Entwicklung wird auch vor Banken und Wertpapierfirmen nicht haltmachen. Stichworte sind etwa Robo- Advice und digitalisierte Vermögensverwal- tung, bei denen die KI nicht nur als Hilfs- mittel dient, sondern ohne menschliches Eingreifen die Anlageentscheidungen trifft. Die Vorteile liegen auf der Hand: Kosten- ersparnis und die mögliche Auswertung erheblicher Datenmengen in kürzester Zeit, wodurch sie zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden können. Den- noch, diese Vorteile dürfen nicht dazu ver- leiten, dass die Wohlverhaltenspflichten ver- nachlässigt werden. Damit trotz technolo- gischer Revolution Haftungsrisiken vermie- den werden, haben Dienstleister den Fokus weiterhin auf einen angemessenen Anleger- schutz zu legen – unabhängig davon, ob die Dienstleistung durch menschliches Han- deln oder mittels KI erbracht wird.Die Stel- lungnahme der ESMA dient hier als erster Maßstab.Weitere werden folgen. Die Autoren: Christian Lenz ist Associated Partner, Fabian Schinerl ist Legal Expert in der auf Finanzmarktrecht spezialisierten Kanzlei BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH. FP Christian Lenz, BRANDL TALOS Rechtsanwälte Fabian Schinerl, BRANDL TALOS Rechtsanwälte fondsprofessionell.at 4/2024 249 FOTO: © UWE STRASSER I BRANDL TALOS, UWE STRASSER I BRANDL TALOS

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