FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024

stellt“, betont der Professor für Finanz- und Bankwirtschaft an der Hochschule Mün- chen. „Bei einer Vollbankgründung stün- den dem Unternehmen erhebliche Wider- stände gegenüber.“ So gäbe es im Banken- markt hohe Eintrittskosten und -barrieren: „Die USA, Großbritannien und China sowie Japan sind von Großbanken domi- niert, die zudem eng zusammenarbeiten. Außerdem zieht die Gründung einer eige- nen Bank hohe laufende Fixkosten nach sich, insbesondere in den Bereichen Ver- waltung, Compliance und Regulatorik“, er- klärt Fleischer. Zudemwürde man mit den schnell wachsenden und flexiblen Neoban- ken konkurrieren. Auch an das notwendi- ge Personal zu kommen sei nicht einfach. „Für eine Vollbanklizenz ist Amazon bank- spezifisch nicht gerüstet, da das Banking nicht zum Kerngeschäft des Internetriesen gehört. Strategisch dürfte der Einstieg ins Bankgeschäft deshalb derzeit uninteressant sein“, meint er. Für die Banken biete dies jedoch Chancen. „Mangels eigener effizien- ter Onlinezahlungssysteme sind die Koope- rationen derzeit die einzige Möglichkeit, am Boom des Onlinehandels und der Onlinebezahlsysteme zu partizipieren und wenigstens noch eine geringe Marge in die Bücher einzubringen“, erklärt Fleischer. Zudem vermeiden die Banken einen Imageverlust, der eintreten könnte, wenn die Institute komplett vomOnlineeinkaufs- markt verdrängt würden. Händlerfinanzierung Auch Händler, die auf der Plattform Pro- dukte anbieten, können sich die für den Wareneinkauf benötigte Liquidität von Amazons Bankpartnern leihen. Den Kre- ditrahmen stellt die ING Diba aus Frank- furt bereit. Diese Kooperation besteht bereits seit dem Jahr 2020. „Das Kreditangebot an berechtigte Ama- zon-Händler eröffnet uns einen zusätzli- chen digitalen Vertriebskanal, um kleine und mittlere Unternehmen bei ihrer Finanzierung zu unterstützen“, erläutert Nadine Methner, Head of Business Ban- king der ING. „Durch die Kooperation sind wir direkt am Verkaufsort präsent und bieten Händlern schnell und unkompli- ziert eine Lösung, wenn Finanzierungs- bedarf besteht“, sagt sie. Wie lukrativ die Zusammenarbeit für beide Seiten ist, bleibt geheim. „Amazon und wir haben uns darauf verständigt, kei- ne Geschäftszahlen aus der Kooperation zu nennen“, so Methner. Es scheint sich jedoch zu lohnen, denn im Jahr 2022 wurde die Zusammenarbeit weiter ausgebaut. Seit- dem bietet die ING mit dem „Flex-Kredit“, einer revolvierenden Kreditlinie ähnlich dem Rahmenkredit im Privatkundenbe- reich, eine alternative Finanzierungsquelle für Amazon-Händler an. Chinesische Warnung Die Zusammenarbeit zwischen Amazon und den Kreditinstituten ist für beide Sei- ten von Vorteil. Für die Topmanager der hiesigen Bankenszene besteht jedoch kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Warnendes Beispiel ist der asiatische Markt: Dort sind die chinesischen Tech-Giganten Baidu und Tencent bereits in verschiedene Bereiche des Finanzmarktes vorgedrungen. So gründete das Technologiekonglomerat Tencent die digitale Webank, die eine Voll- banklizenz besitzt und mittlerweile zu den größten Onlinebanken Chinas zählt. Und der Suchmaschinenbetreiber Baidu wildert mit seiner Vermögensplattform Baidu Wealth eifrig in einem der traditionellen Jagdreviere der klassischen Banken. Wahr- scheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch hierzulande einer der großen Tech- Konzerne offensiv ins Banking einsteigt. MARCUS HIPPLER FP Amazon: Zahlen und Fakten Der Internetriese Amazon erzielte im Jahr 2023 weltweit mit über 300 Millionen Kunden rund 575 Milliarden US-Dollar Umsatz. Mehr als 1,5 Mil- lionen Mitarbeiter erwirtschafteten dabei rund 30 Milliarden US-Dollar Gewinn. In Deutschland, dem zweitgrößten Ländermarkt nach den USA, betrugen die Umsatzerlöse im vergangenen Jahr rund 35 Milliarden Euro. Das Unternehmen bietet mit Amazon Pay eine Zahlungslösung, mit der Kunden die in ihrem Amazon-Konto gespeicherten Zahlungsarten nutzen können, um Waren und Dienstleistungen auf Websites von Drittanbietern und in Anwendun- gen, die Amazon Pay akzeptieren, zu bezahlen. In Deutschland erreicht Amazon Pay einen Bekannt- heitsgrad von rund 80 Prozent. Damit steht das Bezahlsystem hinter Paypal (98%), Klarna (97 %) und Payback Pay (83 %) an vierter Stelle. » Das Kreditangebot an berechtigte Amazon- Händler eröffnet uns einen zusätzlichen digi- talen Vertriebskanal. « Nadine Methner, ING BANK & FONDS Amazon 246 fondsprofessionell.at 4/2024 FOTO: © ING

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=