FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024

sind wir nicht abhängig von einem Kon- zern oder von Entscheidungen aus dem Ausland. Wir stehen im Eigentum der Familie Kahane und 27 leitender Partner. Da sind die Wege vergleichsweise kurz. Ein Markt, der im Vorjahr dazugekommen ist, ist zum Beispiel die Slowakei. Da haben viele Leute Sorgen wegen der politischen Situation; sie wollen, dass das Vermögen im Ausland betreut wird. Sie sind seit 2008 bei der Bank Gutmann. Was hat sich in der Zeit für eine Privat- bankerin verändert? Leider kommt mir als erster Gedanke die Regulatorik. Die verlangt uns viele Kom- promisse ab. Der KYC-Prozess (Know Your Customer, Anm.) ist zum Beispiel notwen- dig, aber er nimmt uns Zeit vom Haupt- geschäft weg. Man muss es schaffen, dass dadurch keine Distanz zu den Kunden ent- steht. Da werden sich die Guten von den Besten unterscheiden. Auch durch die Digitalisierung nehmen die persönlichen Gespräche ab. Da muss man heute mehr schauen, wie man die Nähe hält. Und ich glaube, viele Klischees vom roten Teppich bis zum Nadelstreifanzug sind gefallen. Private Banking ist nicht mehr so abgeho- ben wie früher – kann man das sagen? Ja, das würde ich schon sagen. Ich glaube, wenn man zu abgehoben ist, erreicht man die Menschen nicht mehr. Die Nähe zu den Kunden und die Nahbarkeit sind sehr wichtig. Es gibt heute mehr Diversität im Private Banking, mehr Frauen. Jung, alt, Österreicher, Ausländer, regionaler Berater, Mann, Frau und so weiter: Wenn ich diese Vielfalt in der Beratung nicht bieten kann, dann werde ich genau diese Zielgruppen nicht erreichen. Ich muss ein authentischer Ansprechpartner sein. In den letzten Jahren war es schwer, Mit- arbeiter zu finden. Nun wird es für Banken angeblich wieder leichter: Weil die Wirt- schaft schwächelt, schätzen Bewerber die Stabilität einer Bank … 2022, 2023 waren wirklich schwierig. Und dann, als hätte man den Schalter umgelegt, so ab Herbst 2023, war die Qualität der Bewerbungen plötzlich sehr gut. Vielleicht waren das die Ausläufer der Pandemie, als sich viele neu orientiert haben.Wir merken aber auch, dass die Ansprache wichtig ist. Wir schreiben jede Position in Voll- und Teilzeit aus. Teilzeit ist kein unendlicher Zeitraum. Wir zielen da auch auf Frauen ab und legen die Basis für gute, qualifizier- te Vollzeitkräfte, die Stunden aufstocken, wenn es die familiären Umstände erlauben. Sie sind selbst Führungskraft in Teilzeit. War klar, dass das möglich ist, oder muss- ten Sie verhandeln? Ich war schon länger in Teilzeit als Team- leiterin. Als ich das Angebot für die Be- reichsleitung bekommen habe, bin ich mit dieser Selbstverständlichkeit in die Gesprä- che gegangen. Wäre es nicht möglich gewesen, hätte ich die Stelle vielleicht nicht angenommen. Für mich müssen Beruf und Familie im Einklang sein. Das war eine Bedingung, aber es war keine Diskus- sion notwendig. Führung in Teilzeit ist bei vielen Betrieben undenkbar. Gleichzeitig beschwert man sich über einen Fachkräftemangel.Wird zu wenig in die Zukunft gedacht? Ich glaube, da fehlt manchmal auch der Luxus der Langfristigkeit. Es wird in Kalen- derjahren oder Quartalen gedacht. Natür- lich haben auch wir Zahlen, die wir errei- chen müssen. Wir können als familienge- führtes Unternehmen aber vielleicht mehr in Generationen denken. Vielen Dank für das Gespräch. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP KURZ-VITA: Sabine Tittler Partnerin und Bereichsleiterin Private Clients bei Bank Gutmann. Tittler ist seit 2008 bei der Privatbank mit Sitz in Wien tätig. Sie studierte internationale Betriebswirtschaft und ist zertifizierte Finanz- und Anlageberaterin. » Viele Klischees vom roten Teppich bis zum Nadelstreifanzug sind gefallen. « Sabine Tittler, Bank Gutmann FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | MARLENE.AT fondsprofessionell.at 4/2024 237

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