FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024

leistbare Wohnen ist in Österreich meiner Meinung nach nicht eine Frage des Miet- niveaus, sondern eine Frage des Einkom- mens und des Abgabenniveaus.Wir haben eine zu hohe Abgabenquote, somit kön- nen sich die Leute vielleicht da und dort die Miete nicht mehr so leisten wie früher. Wir haben es aber nicht mit einem Pro- blem überteuerter Mieten oder überzoge- ner Mietsteigerungen zu tun. Das ESG-konforme Investieren ist ein poli- tisches, ein emotionales und bei institutio- nellen Investoren auch ein regulatorisches Thema. Wie wichtig ist es angesichts der realwirtschaftlichen Probleme wirklich? Miller-Aichholz: Institutionelle Investoren können sich das nicht aussuchen und müs- sen ESG-konform investieren. Die anderen sind abhängig von ihrer Unternehmens- und Investmentphilosophie flexibler. Scheibenecker: Die ESG-Faktoren sind nicht mehr das Schäumchen im Süppchen, son- dern substanzielle Beurteilungskriterien für ein Projekt oder eine Immobilie – gerade bei Büroimmobilien, weil viele Mieter selbst eine ESG-Strategie darstellen müssen oder wollen. Deshalb ist das ESG-Thema auch für Bauträger und Banken wichtig. Das sehe ich auch bei Refurbishment-Pro- jekten, wo am Anfang immer gefragt wird, ob man mit der alten Substanz noch ein ESG-konformes Gebäude erreichen kann. Wie ist denn die Investorennachfrage bei Projektentwicklungen? Scheibenecker: Sicher am schwierigsten, weil auch die Banken bei der Finanzierung zurückhaltend sind. Dazu kommt, dass viele Liegenschaften noch in der alten Preiswelt gekauft wurden und teilweise nicht klar ist, ob sich das rechnen wird. Auf vielen vor längerer Zeit geplanten Pro- jekten, die noch nicht umgesetzt sind, lastet hoher Druck. Das sind potenzielle Notver- käufe, die für projekterfahrene Investoren interessant werden können. Scheibenecker: Das ist, glaube ich, der gordi- sche Knoten, wo alle darauf warten, dass er platzt oder zerschlagen wird. Sie haben die Investitionsstrategie „Manage to ESG“ eben angesprochen: Gehen die Investoren diesen Weg oder erwerben sie lieber Neubauten, die bereits zertifiziert sind? Scheibenecker: Es ist klar erkennbar, dass sich institutionelle Investoren von Immobilien trennen, bei denen sie sehen, dass sie mit ihrer Struktur das „Manage to ESG“ nicht schaffen. Lassen Sie uns in die nahe Zukunft blicken: Was erwarten Sie 2025 für den Markt? Miller-Aichholz: Die Inflation ist im Sinken begriffen. Das ist ein gutes Zeichen, aber die Rezession bleibt als Fragezeichen auf- recht. Es wird wohl darauf ankommen, wie sehr die Politik bereit ist,wirtschaftsfördern- de Maßnahmen zu setzen und in den Büro- kratiedschungel einzugreifen. Wenn das stattfindet, bin ich optimistisch, dass wir 2025 einen leichten Aufschwung sehen. Scheibenecker: Es ist ein Silberstreifen am Horizont erkennbar, es ist aber noch nicht abschätzbar, wie lange es braucht, um dort- hin zu kommen. Ich glaube, dass eine rea- listische Chance besteht, dass 2025 wieder ein deutlich besseres Jahr wird. Bis Party- stimmung aufkommt, kann es allerdings noch viel länger dauern. Vielen Dank für das Gespräch. ALEXANDER ENDLWEBER FP VITA: Mathias Miller-Aichholz Mag. Mathias Miller-Aichholz studierte Wirtschaft an der WU Wien und der Ecole de Management Européen in Straßburg. Seine berufliche Karriere begann 1993 im Marketing, ehe er einige Jahre später Immobilienunternehmen in der Kommu- nikation und Medienarbeit beriet. 2014 stieg Miller-Aichholz direkt als Partner bei Hudej Zinshäuser Wien in die Immo- bilienbranche ein. » Leistbares Wohnen ist nicht eine Frage des Mietniveaus, sondern eine Frage des Einkommens. « Mathias Miller-Aichholz, Pico FOTO: © MATHIAS KATZMAIR fondsprofessionell.at 4/2024 145

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